Morrissey :: Years Of Refusal
Neue Aphorismen und Apercus von Britanniens Sweetie
Oh, man hat sich so gewöhnt an die raubauzige Art, mit der Morrisseys Burschen in die Instrumente greifen! Und schon auf seiner „Greatest Hits“-Sammlung warnte der Troubadour des Missvergnügens uns ja: „You’re gonna raiss me when I’m gone.“ Wie wahr. Aber für eine Weile hält man die Abwesenheit des alten Giftspritzers doch aus. Nach seinen italienischen Ferien war er nach Los Angeles zurückgekehrt, und Jerry Finn produzierte das jetzt vorliegende Album. Rätselhafterweise starb der amerikanische Freund, noch jung an Jahren, nach den Arbeiten an „Years Of Refusal“.
Gegenüber dem scheppernden „You Are The Quarry“ von 2004 hatte Finn schlierige Streicher ergänzt wie bei dem großartigen „You Were Good In Your Time“ und im aufgeregt getrommelten, überladenen „Goodbye Will Be Farewell“. Das gespreizte „When Last I Spoke To Carol“ galoppiert sogar zwischen Western-Bravado, Flamenco-Gitarren und „Sketches 0/Spam“-Tröten, als hätte Lee Hazlewood das Arrangement ersonnen. Anderswo rocken die Jungs wieder einmal so robust und eingängig, als wären sie die Smiths-Epigonen Gene, etwa bei „That’s How People Grow Up“, das wir ebenfalls von den „Greatest Hits“ aus dem letzten Jahr kennen. Alan Whyte und Boz Boorer halfen nach schöner Sitte bei den Songs, weshalb die wenigen Finessen beinahe bemüht wirken: Morrisseys Musikerwürden am liebsten immer Rockabilly spielen, wenn man sie ließe.
Und wie ist die Stimmung bei Britanniens größtem Poeten der Gegenwart? Es gibt Schlimmeres im Leben, als niemandes Sweetie zu sein. Das Herz hat seinen eigenen Willen. Es ist ein Wunder, dass ich es überhaupt so weit gebracht habe. Es gibt keine Hoffnung im modernen Leben. „Sorry doesn’t help us/ And sorry will not save us.“
Indes: „Im OK By Myself“, wie Morrissey im letzten Stück versichert. Aber, ach: „Could this be an arm around my waist/ Well, surely this hand contains a knife.“ Und auch die „uncivil servants“ sind wieder unterwegs – im herrlich kitschigen „Mama Lay Softly On The Riverbed“, einem Hybrid aus Genesis und Heintje: „Life is nothing much to lose/ It’s just so lonely here without you/ Mama.“ So geht es dahin zwischen Apercu und Aphorismus, Oscar Wilde und Arthur Schopenhauer, der Weltekel ist intakt, die Misanthropie auf mittlerem Pegel, die Liebe steht wieder unter dem Generalverdacht des Betrugs. Und Morrissey singt wie ein Gott. Da mag die Band noch so hurtig und hemdsärmelig zupacken: Wir trauen diesem Dichter. (Universal)