Muddy Waters – Live :: Epic
Wer nach den etwas bizarren Experimenten und den merkwürdig kraftlosen Platten seiner letzten Chess-Jahre Muddy Waters bereits abgeschrieben hatte, wurde dann doch noch eines Besseren belehrt. Am Thanksgiving Day 1976 meldete er sich bei dem Abschiedskonzert der Band mit einer fulminanten Interpretation des nie zu Tode spielbaren „Mannish Boy“ sehr eindrucksvoll zurück.
Nicht mal ein Jahr später feierte er mit dem Album „Hard Again“ (programmatischer Titel, und jeder weiß, was gemeint war) ein glanzvolles Comeback, und auch für die weiteren von Johnny Winter produzierten LPs sammelte er fortan Grammys in Serie ein. Wohlgemerkt nicht als späte Würdigung eines gesamten Lebenswerks, sondern als Ehrung eines Musikers, der auf einem neuen Zenith seines Schaffens angekommen war. Zugegeben: Mit ein wenig Hilfe von guten alten Freunden, die – James Cotton, Bob Margolin und Pine Top Perkins – da ebenfalls in Bestform musizierten.
Der legendäre Newport-Mitschnitt von 1960, bei dem ihn Cotton auch schon begleitet hatte, gilt gemeinhin als das bedeutendste Live-Dokument seiner Karriere. Aber selbst das verblasst ein wenig im Vergleich zur neuen JExpanded Edition“ von „Muddy ‚Mississippi‘ Waters Live“. Hat vielleicht mit der Club-Atmosphäre zu tun, in der er sich hörbar noch wohler fühlte als vor legerem, ob der vielen anderen „Attraktionen“ etwas blasiertem Festival-Publikum. Die Besucher der Clubs, in denen auch die elf Aufnahmen der zweiten CD mitgeschnitten wurden, waren natürlich gekommen, eine Legende zu bestaunen. Nur fühlte sich Muddy auch in angehendem Rentneralter damals so wenig wie heute jene Rock-Kapelle, die zu ihrem Namen von einem seiner unsterblichen Songs inspiriert worden war.
Bei diesen Konzerten gingen alle locker und so konzentriert zur Sache wie Muddys Bands bei den Chess Studio-Sessions. Nicht nur mit einer fabelhaften Interpretation von „She’s Nineteen Years Old“ dokumentierte der Mann, dass er weder vergreist noch gewillt war, abstinent und zölibatär zu leben. Zu den absoluten Höhepunkten gehörten damals auch Darbietungen wie die von „Mad Love“, vom „After Hours/Stormy Monday Blues“-Medley und von „She Moves Me“, bei dem er das Gitarren-Intro mit seinem unverkennbaren Slide-Sound spielte. Gitarrist Bob Margolin behauptet zwar in den Liner Notes, dass Muddy Waters zwischen den Sets vielleicht ein wenig mehr als üblich oder ratsam von seinem Lieblings-Champagner getrunken hatte. Aber zumindest ließ er sich nicht aus der Form bringen.
Joe Palmaccio hat das für diese Edition so hervorragend remastered, dass auch die Interpretationen auf der ersten CD prima klingen.