Nat King Cole Trio – Transcriptions

Jahre bevor Harry Nilsson, Linda Ronstadt und später all die anderen sich an ihre „Standards“-Projekte machten, fand es Mama Cass Elliott an der Zeit, für ihr Solo-Album den Evergreen „Dream A Little Dream Of Me“ aufzunehmen und die LP dann auch (fast) so zu nennen. Eine etwas merkwürdige Wahl, wenn man bedenkt, daß ansonsten Leonard Cohen, John Sebastian, Graham Nash und Richard Manuel die etwas zeitgenössischeren Kompositionen beisteuerten. Vom „Music From Big Pink“-Produzenten John Simon betreut, klang das im neuen Arrangement gänzlich anders als die entschieden jazzige Fassung von Nat „King“ Cole Jahrzehnte vorher. Der schmeichelte sich mit unnachahmlich samtener Stimme schon zu Beginn seiner Karriere bei seinen Zuhörern ein, aber auf Pop-Wege mochte er damals noch lange nicht einschwenken. Neutöner-Ehrgeiz entwickelte er mit seinem Trio nicht, süperbes Balladen-Material wie „Lost April“ verschmähte er schon gar nicht. In demselben Idiom schrieb er in den 40er Jahren selber etliche seiner erfolgreichsten Lieder.

Archaischer Blues war ihm so wenig fremd wie neuere kubanische oder brasilianische Popmusik. Aus dem Fundus von Lester Young oder Count Basie bediente er sich genauso gleichmütig wie aus dem von George Gershwin und Cole Porter. Seit den späten 30er Jahren war er schon mit seinem Jazz-Trio unterwegs gewesen, und was er mit demselben ab 1943 für Capitol an Singles aufnahm, unterschied sich ganz beträchtlich von dem, was sie bei Konzerten und zumal bei Rundfunkauftritten spielten.

Bei Schallplattenaufnahmen stimmte man nämlich mit A&R-Managern und Agenten von Musikverlagen (die neue Songs ihrer unter Vertrag stehenden Hauskomponisten an den Mann, die Frau oder die Band bringen wollten) ab, was sich wohl als potentieller Hit eignen könnte. Konzerte waren dagegen erklärtermaßen keine Abfolge bekannter eigener Ohrwürmer, da konnte man Songs ganz nach eigenem Gusto präsentieren. Bei den auf Lackfolien, Azetaten oder Bändern für Ausstrahlung im Rundfunk eingespielten Aufnahmen waren eigene Hits sogar verpönt oder tabu. (Eine kurze Anmerkung zum besseren Verständnis: Bei „Transcriptions“ wie diesen hier vorliegenden handelt es sich nicht um dieselben Aufnahmen, die 1950 auf dem Album „Jumpin‘ At Capitol“ erschienen, sondern um die rund sechs Dutzend Songs, die Nat Cole mit seinem Trio für jene Spezialabteilung der Firma aufnahm, die dann dieses Material Rundfunksendern – kostenlos selbstverständlich – zur Verfügung stellte. Das waren neudeutsch also „Promos“, wie sie während der Rock-Ära nur mal kurz von wenigen Interpreten als dann gesuchte „Live Official Bootlegs“ an Journalisten und Sender geschickt wurden.) Man höre und staune über das, was hier in den Liner Notes nachzulesen ist: Wer den Rundfunk damals einschaltete, erwartete gar nicht, eine Aufnahme zu hören, die er genauso gut als 78er Schellack-Scheibe kaufen konnte, sondern zumindest eine andere und bitte originelle Interpretation auch von denselben Musikern, Sängern und Bands. Statt Studioperfektion war da Improvisationstalent verlangt! Statt sattsam bekannter Hits auch unbekanntere Songs. Unvorstellbar in diesen Formatradio-Zeiten. Verboten waren etwa „(Get Your Kicks On) Route 66“ oder „Honeysuckle Rose“ nicht. Die findet man hier auch. Aber lockererlive musiziert! Eine der letzten dieser Cole-Transkriptionen war dann doch der lupenreine Ohrwurm „Don’t Let Your Eyes Go Shopping (For Your Heart)“ in der Trio-Aufnahme. Zwei Jahre später verpaßte Nelson Riddle dem bei der Schallplattenaufnahme das ganz große Big-Band-Arrangement. Wunderbar auch die klein besetzte Aufnahme von „If I Were You, Baby, I’d Love Me“, wie die meisten Aufnahmen der dritten CD von seinem Quartett gespielt. Auch die avancierteste Digitaltechnik konnte bzw. wollte wohl auch nicht die Unvollkommenheiten der alten Tonträger gänzlich ausmerzen. Der Rest an Rillengeräusch bürgt für einen gewissen nostalgischen Effekt. Aber der paßt natürlich zu diesen Aufnahmen der Jahre 1946 bis I95O.

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