Natalie Merchant Retrospective 1995-2005
Wie Eddi Reader nach der Trennung von Fairground Attraction, hat auch Natalie Merchant seit ihrem Ausstieg bei 10.000 Maniacs Höhen erklommen, die sie im Band-Verbund so mutmaßlich nie erreicht hätte. Während erstere jetzt anscheinend nicht mal mehr bei Indie-Firmen eine Heimat für ihre Platten findet, sondern die lieber übers Internet feilbietet, erfreut sich die amerikanische Sangeskollegin zwar auch nicht mehr der Gunst einer Major Company, seit sie bei ihrem letzten Solo-Album („The House Carbpenters Daughter“) ganz stramm auf reinen Folk-Kurs einschwenkte. Aber eine Retrospektive handverlesener Höhepunkte und Raritäten aus ihren Solo-Jahren hielt man bei Rhino denn doch für an der Zeit.
Die Auswahl aus den vier Studio-LPs geht in Ordnung. Allseits beliebte Ohrwürmer wie „Kind & Generous“ und „Break Your Heart“ z.B. fehlen nicht. Letztere – im Duett mit N’dea Davenport gesungene – Ballade ist der Stoff, aus dem Evergreens gemacht werden. Mit einschmeichelndem Liedgut wie dem (auch groß arrangiert: „Life Is Sweet“ und „The Living“. inspiriert vom Tod eines Alkoholikers, der mal eine Weile Mitglied des Count Basie Orchestra gewesen war, wie sie in den Liner Notes erzählt) wurde die „Ophelia“-LP ein Bestseller. Das von T-Bone Burnett coproduzierte „Motherland“ nicht, denn Lieder, die sich richtig selbstkritisch mit der Lage der Nation auseinandersetzten – auch harten Protest in samtweiche Arrangements verpackten wie der Titelsong -, wollten bald nach dem 11. September 2001 in ihrem Land nur wenige hören. Die zwei Kostproben aus „The House Carpenter’s Daughter“ sind nicht mehr als das: appetizer. Zwei der melancholischsten Lieder aus dem Album, aber das sollte niemanden abschrecken, sich damit doch mal intimer vertraut zu machen. Trotz 13 Aufnahmen eine etwas magere „Best Of-Rückschau vornehmlich auf die Singles. Aber es gibt ja parallel auch die Limited Edition mit den vielen Aufnahmen aus entlegeneren Projekten und reichlich Outtakes. Aus „The Home Carpenter’s Daughter“ nämlich die dort dann doch nicht veröffentlichte Neuaufaufnahme von „Cowboy Romance“, einiges eindrucksvoller als die Ur-Version auf dem Solo-Debüt. Daß „She Devil“ es nie auf „Ophelia“ schaffte, konstatiert sie jetzt selber verwundert in den Liner Notes. Das sei doch der perfekte Soundtrack zu einem dieser düsteren neuen Filme in der Nachfolge von Hollywoods „schwarzer Serie“ gewesen. Und da hat sie recht. Exquisit war auch der hier zu findende Beitrag zur Clooney/Pfeiffer-Komödie „One Fine Day“, der Chiffons-Klassiker von Goffin/King als melancholische Ballade mit Saxophon und Kontrabaß schön jazzig arrangiert – und dann diese Stimme zum Verlieben. Eine von vielen raren Aufnahmen ist ihr Beitrag zum Billy Bragg/ Wilco-Album „Mermaid Avenue“, die Vertonung von Woody Guthries „Birds & Ships“, eine andere das mit R.E.M. für die Benefizplatte „Born To Choose“ aufgenommene „Photograph“.
Von der jazzigeren Seite präsentiert sie hier der Gershwin-Evergreen „But Not For Me“, auch für ein Benefiz-Album eingespielt, und dann „I Know How To Do It“ mit G. E. Smith, Jim Keltner, Dr. John und Booker T. & The MGs als Begleitern mitgeschnitten für „The Concert For The Rock And Roll Hall Of Fame“.
Nach den zwei brandneuen für diese Retrospektive aufgenommenen Songs hätte man die auch in „Introspective“ umbenennen können. Denn diese beiden höchst autobiographfisch motivierten Lieder sind Momente unverstellten Gefühls und wahrer Empfindung.