Neil Diamond – Stages: Performances 1970-2002

Ein anderer Gigant des amerikanischen Entertainment, auch er in seiner Glanzzeit viel mehr als ein Schnulzensänger: Neil Diamond, im Herzen immer Grieche, begann als junger Autor im Brill Building und besetzte die Gegenposition zum kalifornischen Gottlosen Randy Newman: „I’m A Believer“, „Solitary Man“, „Red, Red Wine“, „Sweet Caroline“, „Forever In Blue Jeans“ feiern Männlichkeit, Treue, Glauben und das Weib. Zu der Zeit von „Love At The Greek“, 1976, war Diamond allgegenwärtig, er durfte seltsamerweise beim Letzten Walzer von The Band auftreten, und Robbie Robertson produzierte seine wohl beste Platte, „Beautiful Noise“.

Die Siebzigerjahre waren also seine Zeit, und deshalb ist es umso weniger verständlich, dass diese 5-CD-und-1-DVD-Box mit einem Konzert aus dem Jahr 2002 beginnt, das natürlich in Las Vegas stattfand. Diamond hat heute durchaus noch das Bravado und die Virilität, die ihn einstmals unwiderstehlich machten, doch die Arrangements und der enorme Kitsch-Vorschub von Songs wie „America“, überhaupt das blöde Las-Vegas-Getue verderben die Songs. Sogar das Versprechen des phantastischen „Girl, You’ll Be A Woman Soon“ wirkt ranzig, „Captain Sunshine“ hebt nicht ab. Aber auch die zeitlich gemischten Aufnahmen von „Rocket Man“, „God Only Knows“, „Spanish Harlem“, „Unchained Melody“ und einem Beatles-Medley sind merkwürdig unfaszinierend, begraben im Bombast von Band und Chor. Außerdem braucht niemand Diamond als Interpret – seine sonore Stimme ist am effektivsten bei seinen eigenen Liedern, in der Nähe des Sprechgesangs.

Leider bezeichnend für Diamonds Assimilation ans Amerikanische und seinen Populismus ist CD 5 mit einem zusammengestoppelten „Live Christmas“: die Scheußlichkeiten der amerikanischen Weihnacht samt „Morning Has Broken“. Diamond singt „Little Drummer Boy“: Das Elend hält man nicht aus.

Dagegen versöhnen die Aufnahmen aus Dublin auf der DVD: „Solitary Man“, „I’m A Believer“, „I Am… I Said“, „Sweet Caroline“, „Girl…“, „September Morn“: Hier, als noch immer gut aussehender, unverschwitzter und ungebrochener Herrscher über die ganz große Geste, ist er noch einmal der prometheischste Grieche seit Aristoteles Onassis. Und der Meister des verzögerten, triumphalen, nicht enden wollenden Abgangs von der Bühne.

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