Once I Was An Eagle :: Die Songschreiberin schafft die Balance von Nähe und Distanz
Ein ambitionierter Move gleich zu Beginn: eine Suite in vier Sätzen, auch wenn sie formal in vier Einzelsongs, zusammen gut eine Viertelstunde, geteilt ist. Warum nicht? Die Singer/Songwriter aus der Blütezeit L. A. s um 1970 sind bekanntlich Laura Marlings wichtigste Einflüsse, und die ersten vier Sätze dieses vierten Albums klingen mehr denn je nach Joni Mitchell -diesmal allerdings der jazztransparenten gegen Ende der 70er-Jahre. Das kann man ruhig als höchstes Kompliment lesen. Zumal Marling damit auch alle Erinnerung an zutrauliche Joan-Baez-Lagerfeuerstimmungen, die ihre bisherigen Arbeiten gelegentlich noch trugen, sein lässt. Stattdessen arbeitet sie mit sparsamen und karg instrumentierten Melodien, die sie freisinnig harmonisiert, mit gegenläufigen, tonleiterartigen Bewegungen, deren Offenheit sie auch mal mit Cello, bauchiger Tabla und federnder Sitar betont. Den Gesang lässt sie dazu um zwei, drei beieinanderliegende Töne wandern, eher atmosphärisch als narrativ. „I will not be a victim of romance/I will not be a victim of circumstance“, singt sie – und beschreibt damit wohl auch ihre Kompositionen, die sie hörbar streng und sorgfältig koloriert und temperiert hat.
Das prägt dieses vierte Album auch in den gefassteren Songs, in leise über die Saiten rutschenden Solostücken wie „Little Love Caster“ oder der Raffinesse von „Undine“, dessen Fingerpicking eine folkbluesige Konvention andeutet und zugleich harmonisch schrägt – kleine Reverenzen vor freigeistigen Briten wie Bert Jansch und Roy Harper. Und auch durch „Master Hunter“ – mit seiner Uptempo-Unruhe, wirbelnden Drums und einer Dylan-Verbeugung – und „Where Can I Go?“ – mit einer sehr effektvoll im Hintergrund schiebenden Hammond – weht in Form von ständiger dynamischer Bewegung noch ein Flair von Progfolk. Die Tendenz ist nicht neu, verlor sich bisher jedoch schon mal im dichten instrumentalen Geflecht und allzu Preziösen. Diesmal verzichtet sie weitgehend auf die Band und verlässt sich wesentlich auf ihren Produzenten Ethan Johns. Das kommt der Konzentration offenbar zugute. Aber am Nachhaltigsten wirkt, wie Marling bei aller Kontrolle eine wunderbar suggestive, unruhige Spannung zwischen Nähe und einer kühlen Distanz hält. (Universal) MARKUS SCHNEIDER