Otis Redding – Otis Blue :: Erweiterte Neuauflage des definitiven Soul-Klassikers von 1965

Von verschwindend wenigen Ausnahmen abgesehen (Sinatra, Ray Charles, la Streisand) waren Singles 1965 immer noch das alles entscheidende und für den Fortgang einer Band- oder Sangeskarriere wichtigste Format. In Folk-Zirkeln und unter Komponisten von Hollywood-Soundtracks mag man das anders gesehen haben. Aber zumal für die aufstrebenden Soul-Größen von Motown, Atlantic, Stax/Volt und kleineren Spezialisten war das anders gar nicht vorstellbar, auch nicht für diesen ehrgeizigen Otis Redding aus Macon, Georgia. Im Mai 1965 hatte er mit der Ballade „I’ve Been Loving You Too Long“ seinen größten Erfolg verbuchen können, Platz 2 der R&B- und immerhin Platz 21 der Pop-Hitparade.

Zwei Monate später nahm er sich eine ganz kleine Auszeit, genauer gesagt: 24 Stunden, vom Morgen des 9. Juli 1965 bis zum nächsten Morgen um dieselbe Zeit, um im Verlauf von zwei Sessions seine dritte LP einzuspielen. Danach war er auch schon wieder weg aus Memphis, auf dem Flieger zum nächsten Konzert. Denn diese Auftritte waren das, was für ihn zählte. „Otis Blue“ sollte dennoch die LP werden, die seinen Ruhm als einer der Größten in der ganzen Soul Music für immer definierte. Dass am Ende in den Liner Notes der ebenfalls aus Macon stammende Little Richard als „another soul singer of note“ bezeichnet wurde, entbehrt nicht einer gewissen Komik, erinnerte aber wiederum daran, dass der sich viele Jahre zuvor mit dem Song „Ooh! My Soul“ auch als solcher der ersten Stunde profiliert hatte. Im Übrigen fanden Kollegen bei dieser aufstrebenden englischen Band – The Rolling Stones – „Fve Been Loving You Too Long“ so hervorragend, dass sie die Ballade umgehend ins eigene Repertoire übernahmen.

Otis Redding hatte die – mit der vier Monate alten Single-Version mittlerweile schon wieder unzufrieden — bei der zweiten Session noch einmal neu für die LP aufgenommen. (Um so bedauerlicher, dass man bei dieser Deluxe-Edition die Single-Urfassung nicht als Zugabe findet.) Ähnlich innovativ wie Ray Charles in seinen späten Atlantic-Jahren und genauso grenzenlos ambitioniert wie sein großes Idol Sam Cooke, war ihm natürlich klar, dass seine Karriere noch nicht so abgehoben hatte ¿wie die von Marvin Gaye oder den Miracles mit Smokey Robinson. Möglicherweise war das ja auch der Grund dafür, dass – viel mehr Understatement geht kaum – der ungenannte Autor der Liner Notes zur vierten LP, „The Soul Album“, behauptete, dieser Sänger sei „gifted“ und ein „great talent“. Mit der Ansicht war er aber auch schon nicht mehr allein, das sah zu dem Zeitpunkt auch schon Bob Dylan so, als er sich unter das Publikum im Whisky A Go Go mischte, um sich mit eigenen Ohren davon zu überzeugen, warum so viele den Mann so bewunderten.

Reddings Manager Phil Waiden („In the beginning his claim to fame was really he was a Little Richard soundalike“) und auch Stax-Bossjim Stewart waren anfangs der festen Überzeugung, dass sie es hier mit dem nächsten Little Richard zu tun hatten. Einiges mehr bewunderte der allerdings noch Sam Cooke. Cover-Versionen von dessen Songs wurden für ihn bei jeder LP eine obligatorische Übung. Bei „Otts Blue“ waren es gleich drei, nämlich neben „Wonderful World“ auch eine große von „A Change Is Gonna Come“ und die noch berühmter gewordene von „Shake“.

Nicht weniger denkwürdig war, was er bei den Sessions mit der Hausband von Stax aus den anderen Vorlagen gemacht hatte: kongenial die von Solomon Burkes „Down In The Valley“, beseelt die von „My Girl“, aus dem Stand ein Klassiker die von William Beils „You Don’t Miss Your Water“, ganz groß auch die Band bei B. B. Kings „Rock Me Baby“ mit dem tollen Gitarrensolo und stilvoll seine Deutung von „Wonderful World“. In „Satisfaction“ konnte er sich (dann auch auf Konzertbühnen) so reinsteigern, dass er irgendwann zu der Überzeugung gelangt sein soll, er selber hätte das geschrieben. Und dann waren da auch noch die beiden neuen eigenen Songs „Ole Man Trouble“ und „Respect“, die sofort zu den Evergreens des Deep Soul gehörten.

Die Auswahl an Zugaben aus den live im Whisky A Go Go und in Europa mitgeschnittenen Auftritten hier ergibt Sinn insofern, als er da das Repertoire weitestgehend mit den berühmten Songs aus „Otis Blue“ bestritt. Für Raritäten-Sammler interessanter sollte das Studio-Material sein, der posthum veröffentlichte Alternativ-Take von „Respect“ als Tour-de-force, der längere, hier erstmals zu hörende Mix von „I’ve Been Loving You Too Long“, „Any Ole Way“ und „I’m Depending On You“.

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