Outlaw: Waylon, Willie, Kris, And The Renegades Of Nashville :: 40 Jahre nach der kreativen Blütezeit des Outlaw-Country beleuchtet ein Musikhistoriker die Hintergründe auf 300 Seiten
Stolz & Kalkül
Michael Streissguth
Dass Jan Reids Ende der 70er-Jahre publiziertes „The Improbable Rise Of Redneck Rock“ bis heute als Standardwerk gilt, liegt fraglos am Verdienst, die Outlaw-Bewegung nicht bloß als emanzipative Abkehr von Nashville zu verstehen, vielmehr als eigenständig gewachsene Musikkultur. Reid isolierte das Outlaw-Gen in Texas, verfolgte seine Verbreitung im Lone Star State und beschäftigte sich mit den Trägern des Gens, mit Waylon Jennings und Willie Nelson natürlich, aber auch mit Jerry Jeff Walker, Gary P. Nunn, Kinky Friedman, Rusty Wier, Willis Alan Ramsey oder dem unlängst verstorbenen Steven Fromholz. Nashville schien fern in Reids Musikwelt.
Michael Streissguth zäumt das Outlaw-Pferd nun von hinten auf, betrachtet das Phänomen aus diversen Perspektiven Nashvilles. Für die allmächtigen Verleger und Studiobosse der Music Row mussten Jennings und Nelson wie Abtrünnige wirken. „Don’t bite the hand that feeds you“, wurde noch gewarnt, als die neue Wahrhaftigkeit in Songschreiben und Auftreten bereits eine ureigene, unauf haltsame Dynamik entfaltet hatte.
Was die Granden der Grand Ole Opry versuchten, um Künstler bei der Stange zu halten, ohne das Gesicht zu verlieren, erklärt Streissguth detailliert am Beispiel dreier prominenter Renegaten, die freilich aus unterschiedlichen Gründen opponierten. Willie Nelsons überragendes Talent als Songwriter wurde in Nashville früh erkannt, doch wusste man mit dem Interpreten Nelson bei RCA wenig anzufangen. Man bettete Willies Stimme auf plüschige Streicher, was weder der Glaubwürdigkeit der Songs diente noch deren Verkäuflichkeit. Auch Waylon Jennings lag mit RCA über Kreuz, durfte im Studio nicht mit seiner eigenen Band arbeiten, wurde stattdessen in enge Produktionskorsetts gezwängt.
Beide, Nelson und Jennings, verließen Nashville, verlegten ihren Schwerpunkt zurück nach Texas, nicht als selbsternannte Outlaws freilich. Dieses Gütesiegel war ihnen medial aufgedrückt worden, doch lernten sie es zu tragen, zuerst nicht ohne Stolz, dann nicht ohne Kalkül. Kris Kristofferson war eine andere Art Rebell, ein Quereinsteiger, den es in Nashvilles West End verschlagen hatte, wo er dem Lotterleben zusprach, bis ihn ein Publishing-Deal von Monument jäh ins Rampenlicht beförderte. Streissguth schildert das sehr lebendig, trotzdem empfiehlt es sich, zuerst Jan Reids Buch zu lesen, schon der Erdung wegen. (It Books, ca. 16 Euro)
Tony Norman
Keine schnöde Kolportage, sondern ein veritabler Erlebnisbericht! Norman war dabei, als John und Yoko 1969 ihre Bed-in-Pressekonferenz gaben, und er interviewte Mick kurz vor Brians Tod. Nach diesem Einstieg über das ernüchternde Ende der Sixties vollführt der Autor eine dramaturgische Rolle rückwärts ins Jahr 1963 und erzählt von da an chronologisch über tumultuarische Ereignisse der Dekade. Jede Beatles– und Stones-Platte hatte immense Bedeutung für Tony nebst Anhang, man genoss in vollen Zügen das Privileg, in London heranzuwachsen. Right time, right place. (Steampacket, ca. 15 Euro)
Linda Ronstadt
Wer Klatsch und Tratsch erwartet, wird enttäuscht sein. La Ronstadts Autobiografie lässt den lockeren Lifestyle zwar nicht aus, erwähnt ihn aber nur en passant. Lesen sei ihre Droge gewesen, ihre Liebschaften nennt sie „serial monogamy“. Es geht primär um musikalische Abenteuer, aufschlussreich vor allem, was die Wirren der Country-Rock-Szene an der Westcoast betrifft. Da sie mit Jerry Brown, dem Gouverneur von Kalifornien, liiert war, ragen auch politische Kampagnen in die Bohème. (Simon & Schuster, ca. 20 Euro)
Suggs
Ein episodenlastiges, recht launiges Werk, dessen biografische Fäden zu einem schwer entwirrbaren Knäuel verfilzen. Dabei ist Suggsy doch ein Charmeur, nicht nur als Kopf von Madness, sondern längst auch als TV-Celebrity. Als Autor versteht es der als Graham McPherson Geborene indes nicht, seine Nutty Persona in Nutty Prosa zu übersetzen. Selbst die Stadion-Impressionen des Chelsea-Supporters bleiben blass. (Quercus, ca. 25 Euro)