PAGE & PLANT – Walking Into Clarksdale :: Mercury
Was hatten sich Page und Plant bei ihrer Reunion anno 1994 für eine Mühe gegeben, das Led vor dem Zep vergessen zu machen. Weder wurde Bassist John Paul Jones zu der MTV-Session gebeten, noch gab es bei „No Quarter“ und dem darauffolgenden Li ve-Album “ Unledded“ einen alten Klassiker aus der kollektiven Feder der ehemals glorreichen Vier. „Unledded“ war zwar ironisch gemeint, doch Page und Plant mußten die bittere Pille schlucken, daß ihre neuen Songs wie „City Don’t Cry“ oder „Yallah“ auf taube Ohren stießen und das Volk die Knaller ä In „Kashmir“, „Gallows Pole“ oder „The Battle Of Evermore“ verlangte.
Lektion gelernt! Nun nämlich ist mächtig viel Led im Spiel, die „No Qiwrter“-Folk-Truppe fiedelt wieder im heimischen Ägypten, und der Leierkastenmann kurbelt vermutlich irgendwo im britischen Norden. Statt dessen hat Page sich seines legendären Fundus‘ an Hook- und Riff-Fragmenten erinnert und sich an Kombinationen gewagt, die Altbekanntes verblüffend neu klingen lassen.
Die Assoziationen, die das jüngste Album hinsichtlich Jiouses Of The Holy“ weckt, wurden hier ja bereits erwähnt, und lediglich das Intro von „When The World Was Young“ geriet Page zum Plagiat des „The Rain Song“-Openers. Plant hingegen hat die enorme Spannbreite seiner Stimme – vom lasziven Rüstern bis zum orgiastischen Schrei – wiederentdeckt und in alter Led Zep-Tradition Texte verfaßt, die zwischen Balz-Mantras, Fabel-Helden-Referenzen und Glaubensbekenntnissen an mystische Welten hinter der unseren changieren.
Studio-Wizzard Steve Albini (Nirvana, PJ Harvey, Pixies etc.), einer der wenigen, der noch weiß, was man mit Mikrophonen wirklich anstellen kann, hat in den Abbey Road Studios Bassist Charlie Jones, Drummer Michael Lee und die einstigen Streithähne Page 8C Plant zum Kollektivdenken vergattert. Das Resultat: eine Band, die den Spruch „wie aus einem Guß“ aus der Platitüden-Ecke holt und akustisch wie elektrisch auf klassischem Led Zep-Niveau spielt.
Und hätte man statt einigen Balladen ein paar take no prisoners-Attacken à la „Moby Dick“ oder „Communication Breakdown“ mehr geritten, „Walfang Into Clorksdale‘ wäre beinahe das seltene Attribut „Meisterwerk“ sicher gewesen.
JÖRG GOLDEN