Paul Nizon :: Die Belagerung der Welt
Es wirkt wie ein letztes Aufbäumen: 50 Jahre unternahm Suhrkamp wirklich alles, um den Schweizer Romancier Paul Nizon nicht nur in literaturgeschichtlicher, sondern auch in kommerzieller Hinsicht in die Liga der verlagseigenen Superstars wie Peter Handke oder Max Frisch zu katapultieren. Man muss sich Nizons Leitspruch ,,Das Leben ist zu gewinnen oder zu verlieren“ wahrlich zu Herzen genommen haben. Jetzt also absurderweise eine Art Greatest-Hits-Ausgabe eines Sprachkünstlers, der kaum einen nennenswerten Charts-Erfolg hatte. Geschöpft wird aus dem, was Handke einmal mit einem Fluss verglich, „der dahingeht“: dem fünf Jahrzehnte umfassenden „Journal“. Der bereits erhältliche 1.000-seitige Ozean der tagebuchartigen Aufzeichnungen ist auf 340 Seiten heruntergekocht. Trotzdem erzeugt diese Auswahl einen mitreißenden Strudel des Unfertigen, manisch verfasst von einem nach Leben dürstenden, „heidnischen Hurenbock“. Er streift und liebt sich durch Metropolen wie Paris und empfindet nur so etwas wie Wirklichkeit, wenn er dafür (seine) Sprache findet. Skizzen ohne Plot, immer aufs Neue angespülte Erinnerungen an die „Liebesvergiftung“ durch die viel Jüngere. Packende Reflexionen über Literatur und Literaten, dazu ein aufschlussreiches Porträt seines Verlegers Siegfried Unseld. Und das ständige Ringen um die eigene Bedeutung. (Suhrkamp, 19.95 Euro)