Paul Simon – You’re The One

In einem Jahr der großen Spätwerke, von Steely Dan bis zu den Go-Betweens und, na ja, Madonna Ciccione, überrascht ein alter Meister (überhaupt nicht): Seit beinahe vier Jahrzehnten umgeht Paul Simon die Rockmusik und wird dafür nicht einmal mit Missachtung gestraft. Kein Kult wie bei Dylan, keine Verehrung wie bei Newman, keine Verklärung wie bei Young und kein Respekt wie bei Becker und Fagen verstellt den Blick auf sein Schaffen. Es gibt diesen Blick gar nicht. Simon ist der Schattenmann der populären Musik Amerikas, uncharismatisch bis auf die Knochen, uneitel, unsicher und unscheinbar. Natürlich unterschätzt.

Mit dem Musical (und Album) „The Capeman“, einem etwas kindlichen Traum vom Broadway-Tamtam, ist Simon vor ein paar Jahren gescheitert. Keiner wollte die sentimentale Moritat vom jungen Bandenführer aus Puerto Rico, die für Simon doch ganz andere Bedeutung hatte: Sie handelte von den 50er Jahren, seiner Kindheit, auf die er immer wieder rekurriert. Und sie handelte von einem Immigranten, einem Fremden – ein Schicksal, mit dem sich der amerikanische Jude mindestens identifizieren kann. Denn fremd im Land ist Simon immer geblieben. Im schönsten Stück des „Capeman“, „Trailway Bus“, beschwört er das Unterwegssein als einzigen Ausweg für die, die nicht dazugehören.

„You’re The One“ nun ist Simons „Time Out Of Mind“. Während Dylan natürlich als beinharter Existenzialist die Letzten Dinge besingt (Tanz mit einer Fremden, auf die Gitarre hauen, hartgekochte Eier bestellen), nähert sich Simon vom Mystischen. An der Oberfläche zart, perkussiv, fast beiläufig, sanft gesungen und vollkommen unspektakulär sind diese Lieder, kein einziges packt zu wie damals „Kodachrome“. Doch die Schönheit und Weisheit haben sich, man ahnte es, in den Texten versteckt. In „Darling Lorraine“ lässt Simon einen Frank erzählen: „All my life I’ve been a Wanderer/ Not really, I mostly lived near my parents‘ home.“ Dann die Heirat, die Zeit vergeht „You just like to stay in bed/ I don’t need you darling Lorraine/ I long for your love.“ Und im letzten Vers: „The doctor was smiling/ But the news wasn’t good/ (…) Here’s an extra blanket honey/ To wrap around your feet/ All the trees were washed with April rain/ And the moon in die meadow took darling Lorraine.“

Es geht noch einfacher in „“Yuu’re The One“: „You broke my heart/ You made me cry/ You’re the one.“ Oder in „Love“: „We’re not important/ We should be grateful/ And if you’re wondering why/ Love.“ In der Parabel „Pigs, Sheep And Wolves“ wird Simon einmal sarkastisch. In „Hurricane Eye“ backt eine alte Frau einen Zimtkuchen, schläft in der Waschmaschine ein und erwacht im Auge eines Hurrikans. „Quiet“ ist nur noch ruhig. „I’m heading for a place of quiet/ Where the sage and sweetgrass grow/ By a lake of sacred water/ From the mountain’s melted snow.“ Ein Gebet. Es ist so friedlich, man hält es kaum aus. Nicht viele werden Simon zu diesem Platz folgen.

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