PJ Harvey :: Is This Desire?
Die Verfechter des Unglücks sind sich ihrer Sache sicher. „Das Leben ist ein Jammertal“ erklären sie, bis zu den Knien im Elend steckend, Glück und Liebe dagegen nur Illusion, ein Zwischenhalt in dem ewigen Strudel von Verlangen und Schmerz. Dann gehen sie in ihre rauchgeschwängerten Häuser, um PJ Harvey zu hören, und ich denke: „Laßt mal gut sein.“ Aber PJ Harvey? Warum nicht! Man muß das natürlich mögen, den düsteren, gepreßten Sound, das Nichtsingen von Unmelodien, das Rezitieren von Betroffenheitslyrik. Doch zumindest ist die Engländerin ehrlich: derartig zerrissene Platten, dermaßen angestrengte Musik macht man nicht, um bloß eine Karriere anzuschieben.
Das gilt auch für das neue Album „Is This Desire?“, das alles und nichts ist, aber immer nur für Momente: Es beginnt mit einem recht hübschen Pianofluß in „Angelene“, rockt sich dann stumpf durch „The Sky Lit Up“, wird danach etwas poetisch in „The Wind“ und so weiter, immer auf und ab. Wenn Miss Harvey flüstert – und das tut sie oft -, schleicht sich eine, wenn auch simulierte, Intimität ein, die anrührt, weil ihre Kollegen Head und Flood den passenden, quasi-intimen Sound liefern. Ihr Meisterstück ist das karge Elektronik-Baß-Arrangement in „Electric Light“, aber auch sonst verpassen sie jedem Text die richtige Textur, wie Sound-Bildhauer. Eine passende Ergänzung für die Freizeit-Bildhauerin Polly Jean.
So stark der Sound, so schwach allerdings die Songs. Einsame Ausnahme ist der Titeltrack, der als Lied für sich stehen kann und das in einem so auffallend schlichten Arrangement auch tut. Ansonsten herrscht das harmonische Klischee, keine zwei Noten, die man in dieser Kombination nicht schon woanders gehört hat. Aber vielleicht muß das so sein für die Verfechter des Unglücks: Das Neue wäre Veränderung, Hoffnung, sogar Fortschritt. Stillstand dagegen sichert den Status, das Elend. Immerhin: Wer das sucht, findet es bei PJ Harvey in einer handwerklich soliden und dabei abgrundtiefehrlichen Form.