Porno For Pyros – Good Gods Urge
Der Prophet des langen Trips, Timothy Leary, inszenierte seinen Krebstod als virtuelles Spektakel im Internet Seine durch zahllose Substanzen angetriebene Reise durch das eigene Bewußtsein endete an der Benutzeroberfläche. Zumindest vorläufig. Leary war nach eigener Aussage „neugierig auf den Tod und wie es dann weitergeht“.
Perry Farrell aber lebt und bewirbt sich offensichtlich um die Leary-Nachfolge. Vielleicht hält er ihn sogar für sein zweites Ich. Bereits in der Vergangenheit nahm Farrell Drogen, gründete Bands und benahm sich komisch, mit anderen Worten: Er turnte on, tunte in und dropte out. Jetzt wurde er deutlicher und ließ sich in klassischer Leary-Pose fotografieren, mit silbrig glitzerndem Anzug und einer Blumenkette um den Hals. Zwischen friedlich erhobenen Händen sind entrückte Augen zu erkennen. Und auch das neue Album seiner Band Porno For Pyros ist, mehr noch als deren Debüt, ein Ausflug in eine Welt, in der alles bunt ist. Perry in Wonderland.
Und das heißt in der Musik immer noch oder wieder: in Pepperland. Während Leary aus dem LSD-Zeitalter kam und sich später in Glasfaserkabeln verirrte, kommt Farrell aus dem Computerzeitalter und beschwört mit zwar exotischer, aber dennoch „natürlicher“ Instrumentierung die Old School der Psychedelia. Wieder mal eine Platte voller Sixties-Referenzen. Überall zirpt, bimmelt und säuselt es -Saxophone, akustische und elektrische Gitarren, Harmonikas und verfremdete Keyboards überlagern sich und ergeben einen leicht schwebenden Klang. Und manchmal hört man Vogelstimmen: Lagerfeuer-Psychedelia. Die Hardrock-Stürme, die Farrell einst mit Jane’s Addiction gelegentlich entfachte, gehören endgültig der Vergangenheit an.
Thematisch schleppt unser Mann mit leichter Hand schwere Gewichte. Schon im Titel kommt Gott vor. Und auch die Texte handeln von den letzten Dingen, die Farrell allerdings durch eine bunte, surreale Brille wahrnimmt In „Tahitian Moon“ erzählt er von einem Schiffbruch und davon, was es für ein Gefühl ist kurz vor dem Ertrinken zu sein. Im Titelsong bietet er Gott sein Leben an – im Tausch gegen das Leben seines sterbenden Vaters.
Oder meint er damit in Wirklichkeit Timothy Leary? Möchte er sein Leben geben, um das von Leary zurückzubekommen? Das würde erstens die Doppelgänger-These bestätigen. Und es wäre zweitens ziemlich gruselig. Aber einem Burschen, der Platten wie diese macht ist alles zuzutrauen.