Randy Newman – Bad Love :: Dreamworks/Motor

Wann immer Randy Newman einen Song schrieb, war es der letztgültige Song zu einem Thema, wie man heute so sagt. „Political Science“ verabschiedete die Politik für immer ins Reich des Lächerlichen, „Love Story“ war das endgültige Liebeslied und dessen Travestie zugleich, „In Germany Before The War“ schlüpfte schaudernmachend ins Gehirn des Triebtäters, „The Beehive State“ enthielt alles Wissenswerte über Utah, „Baltimore“ so ziemlich alles über Baltimore, „Birmingham“ über Birmingham, JDavy The Fat Boy“ die allerletzte Wahrheit über Davy, „Short People“ letzte Worte zum Gebrechen kleiner Menschen. „Rednecks“ bleibt der einzige gewitzte Song über Rassismus, „Sail Away“ die bittere Gegen-Lesart amerikanischer Geschichte, „Dayton, Ohio, 1903″ faßt das Wesen der Nostalgie in bloß eineinhalb Minuten zusammen. Jolly Coppers On Parade“ ist der einzige Song über die Faszination von Polizeiparaden, „Kathleen (Catholicism Made Easier)“ die einzig mögliche Hommage an eine irische Katholikin. „I Want You To Hurt Like I Do“ ist die ideelle Gesamtbenefizhymne, „It’s Money That I Love“ das definitive Lied über Gier, „God’s Song“ der finale Beweis für die Existenz wie die Abwesenheit Gottes. Randy New mans Sottisen sind so scharf wie die Aphorismen Arthur Schopenhauers. Und auch noch Pop. Wir bekreuzigen uns also, wenn wir über „Bad Love“ schreiben und den Herbst des Genies. Randy Newmans Songs haben uns nicht nur das Leben gerettet, sie haben uns überhaupt erst zum Leben erweckt Was der Der Spötter Randy Newman überzeugt mit einem (beinahe) altersmilden Album Tonträgergemeine Kulturwichtigtuer condition humaitie nennt, das hat der unerschütterliche Amerikaner und Joyce-Leser Newman in den knappsten Miniaturen formuliert. In seinen späten, tendenziell sentimentalen Jahren als Songschreiber wendet Newman milden, auch beißenden Spott gegen sich selbst Als einziger Gigant jenseits der 50 (neben Dylan!) erkennt er das Verlöschen des Lichts, nicht nur des schöpferischen, und blickt ihm fest ins Auge. „Bad Lore“ ist deshalb manchmal eine komische und alberne Platte, sie ist aber auch eine erschütternde und tröstliche. Nämlich. Newman nahm all seine Alben jahrzehntelang für Warner Bros, auf, es produzierten Russ Tkelman und Lenny Waronker. Seit Waronker bei Warner nichts mehr zu sagen hat, gibt es für Newman nichts mehr zu holen. Ausgerechnet Dreamworks, auch in Los Angeles ansässig, finanzierte „Bad Lore“. Mitchell Froom und Tchad Blake, zwei der besten Produzenten überhaupt, betreuten die Aufnahmen. Statt der früher oft und gern von Newman angeheuerten kalifornischen Studio-Musiker (zu schweigen von Mark Knopfler und Jeff Lynne!) spielen Greg Cohen am Baß, Pete Thomas am Schlagzeug und Froom an den Keyboards, dazu gibt es die wie immer wunderbaren Streicher- und Bläser-Arrangements, auch einen weiblichen Background-Chor. „BadLore“ ist natürlich ein famoser Titel – wie „Schlechte Droge“. Kann die Platte gar nicht einlösen. Und dann doch. Newman rettet sich selten in sichere Hymnenseligkeit, leider ebenso selten in den tröstenden Alters-Irrsinn und zum Glück nur bei „Big Hat, No Cattle“ ins Country-GeblödeL als hätte „Rider In The Rain“ damals nicht gereicht. In „My Country“ sagt er jedoch die letzte schmerzliche Wahrheit über die Kinder, die aus dem Haus sind: „They have TVs of their own now/ But they keep on coming over anyway/ And much as I love them/ I’m always kind of glad when they go away.“ Besser noch ist die Burleske J’m Dead (But I Don’t Know It“): „I have nothing left to say/ But I’m gonna say it anyway.“ Mit einem Dreizeiler vernichtet er die notorischen Faltenrocker und Weiberhelden: „Each record that I’m making/ Is like a record that Fve made/ Just not as good.“ Dazwischen semmelt die Gitarre, und der Chor geifert: „You’re dead, you’re dead.“ „The Great Nations Of Europe“ ist ein pompöses Spottlied auf den Kolonialismus, „The World Isn’t Fair“ ein wohlfeiler Brief an Karl Marx. Das fieseste Stück Rollenprosa ist diesmal „Shame“, die brabbelnde Bettelbeichte eines alternden Sugardaddys an ein Girlie: „Do you know what it feels like/ To wake up in die morning/ Have every Joint in your body aching, God damn it?/ To have to get up in the middle of die night and sit down to take a piss?/ You do know?/ 1 have my doubts, Missy.“ Und die großen Liebeslieder] „Every Time It Rains“ ist voll Schönheit und absoluter Hoffnungslosigkeit: „Every time I try to teil myself/ That in time I’U find somebody eise/ But it won’t be you.“ Man sieht diesen Mann vorm leeren Kühlschrank stehen, und es regnet und regnet aus Kübeln. Glücklich, wer jetzt noch eine Ladung Streicher im Kühlfach hat Der Tod klopft an. In „I Miss £>u“ erreicht Newman die größte Klarheit und Einfachheit, wie auf „Trouble In Paradise“ bei „Same Girl“ und „Real Emotional Girl“: „You must be laughing yourself sick/ Up there in Idaho/ But I wanted to write you one/ Before I quit/ And this one’s it“ Je weniger Worte er macht, desto unheimlicher und brutaler wird Randy Newman. Sehr schön auch das schwelgerische Arrangement von „The One You Love“ und der ungebremste Zynismus, das falsche musikalische Idyll von „Better OffDead“. Mit „I Want Everyone To Like Me“ klingt das Album aus. „A couple kiddies at my side/ To keep me fat and satisfied/ 1 want everyone to like me/ That’s one thing I know for sure/ 1 want everyone to like me/ ‚Cause I’m a little insecure.“ Für diesmal ist es genug. Yeah. ARNE WILLANDER

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