REPLAYS 2 :: von Bernd Matheja
Was lange währt, wird manchmal sogar noch etwas besser: Endlich rollt die definitive Wiederaufbereitung in Sachen KINKS aus der PYE-Periode an. Tonnenweise winden die Songs schon recycelt, stets im schwindsüchtigen Dünn- und Klirr-Sound der vorletzten Kategorie. Klanglich ausgebessert, mit neuen Sleeve-Notes und Extra-Titeln sind jetzt die ersten fünf StudioAlben („Live At The Kelvin Hall“ fehlt) im Midprice-Segtnent erhältlich. Bei den Bonus-Tracks (bislang satte 34 von Singles und EP’s) wurde auf die zeitliche Zuordnung geachtet – noch sind jedoch die gesuchten Songs vom „Great Lost Kinks Album“ bzw. von „Kinks Kronikles“ nicht dabei (Casde/England weist allerdings im Werbeblatt auf „additional rarities und outtakes“ hin, die mit der zweiten oder als dritte Ladung kommen könnten). Die CDs im einzelnen: 3,0 für das Debüt „Kinks“ (Castle ESM 482), das noch die spröde lospolternde Kapelle aus Muswell Hill präsentiert Mit „Kinda Kinks“ (ESM 483) und „The Kink Kontroversy“ (ESM 507) begann die vorsichtige stilistische Öffnung der Gruppe, die durch Extra-Tracks wie „See My Friends“, „Set Me Free“ und „A Welt Respected Man“ jetzt noch prägnanter erscheint (4,0 für beide). Mit „Face To Face“ (ESM 479) und „Something Else By The Kinks“ (ESM 480) erreichte Mastermind Ray Davies den Höhepunkt seines 60’s-SchafFens. Die vertonten Mitteilungen aus Kleinbürger-Country sind Klassiker. Die berühmteste Zahnlücke des Pop haute 1966/67 Perlen en gros raus – was hier allein an Zusatzstücken verbraten ist (etwa das geniale „I#mm Not Like Everybody Else“, „Big Black Smoke“, „This Is Where I Belong“) würden noch heute Legionen anderer Bands gern als ihr Hauptwerk betrachten. Single-Tracks von Dave Davies runden das CD-Quintett ab. Je 5,0 für zwei Meisterwerke, die sich – unfaßbar – damals mühselig durch den Verkauf quälten.
Als Legionen von Langmatten dem „Great Gniedel“ frönten, steuerten die SUTHERLAND BROTHERS ihr „Lifeboat“ (Sony/Rewind 489 450, 3,0 ) auf Softkurs. Feinste Harmonien, gepflegte Gitarren-Arrangements und die Kompositionskunst der schottischen Brüder Iain und Gavin Sudierland hielten die Band auf einer idividuellen Schiene – in gebührender Distanz zum ganz großen Erfolg. Daß die Kasse dann doch noch klingelte, ist dem bekanntesten Titel „Sailing“ und der Interpretation durch „Rod The Mod“ zu verdanken.
Sie standen popularitätstechnisch immer ein paar Meter hinter den Rattles, Lords und Boots zurück – die PETARDS aus dem hessischen Schrecksbach. Natürlich keine Hindernis für eine bestimmte deutsche Plattenfirma, gleich mal das Gesamtwerk der Combo in Form einer 6-CD-Box (plus 72seitigem Buch) auf den Markt zu werfen: „Anthology – Ein Kapitel deutscher Rockgeschichte“ (Bear Family Records BCD16180 FH) porträtiert eine Combo, deren stilistisches Spektrum breiter angelegt war, als das ihrer germanischen Konkurrenten; ein Hit in den offiziellen Verkaufs-Charts ist dennoch in knapp sechsjähriger Arbeit nicht dabei herausgesprungen, obwohl Titel wie „Pretty Liza“, „Misty Island“ oder „Shoot Me Up To The Moon“ durchaus das Format dazu gehabt hätten. Pop, Flower Power, Krautrockiges – alles war im Angebot, sogar vor einer kompletten Creedence Clearwater Revival-Tribute-LP (immerhin mutig) wurde unter dem Pseudonym „Zonk“ nicht zurückgeschreckt. Früh-Singles für das CCA-Label, Ljve-Mhschnitte und eine Interview-CD runden den (wie immer) opulenten Karton ab. 3,5 für ein penibel und lückenlos aufgearbeitetes Stück deutscher Ton-Historie aus der Bembel-Region.
Wieder auf dem Markt ist »Ifcger TheEngineer“ von den YARDBIRDS, jetzt mit dem Zusatz „Over, Under, Sideways, Down“ (Repertoire REP 4681). Die Scheibe, schon immer ein qualitatives Aushängeschild der Band, erhielt zehn Extra-Titel, die Sinn machen: zwei Mono-Mixe, ein alternatives „Hot House Of Omagarishid“ und beide Seiten der Kult-Single „Happenings Ten Years Time Ago“/“Psycho Daisies“ (mit dem Duo JeffBeck & Jimmy Page). Highlights für Fans und Sammler sind die ebenfalls zugebutterten Solo-Singles von Sänger Keith Reif, „Mr. Zero“/ „Knowing“ und JBlue Sands“/“Shapes In My Mind“ (von Letzterem sogar eine zusätzliche Langfassung). Gute, variable Musik zwischen Pop, R&B und Psychedelic, dafür 4,0
Sänger, Bandleader, DJ, Show-Gastgeber, Schriftsteller, Bildhauer – und mit inzwischen 77 Jahren noch immer aktiv: JOHNNY OTIS ist Kult in den USA. Seme Hits („Wilie And The Hand Jive“, „Crazy Country Hop“, „Castin‘ My Spell“ und der Skandal-Song „Mumblin‘ Mosie“) aus den Endfünfzigern sind längst Klassiker; seine Rhythm 8C Blues-Revue mit Live-Auftritten oft vor Studiopublikum war landesweit unschlagbar und so was wie ein Ritterschlag für die Beteiligten. „The Greatest Johnny Otts Show“ (Ace CDCHD 673) versucht das Flair dieser Pomaden-Happenings mit 26 Titeln zu transportieren. Neben Otis sind Marie Adams & The Three Tone Of Joy, Mel Williams, Marci Lee und Jeannie Sterling & The Moonbeams dabei. Hörvergnügen aus einer anderen, nicht eben schlechteren Welt. 3,5
Fast vergessen, und dabei sooo gut: DORY PREVIN. Inzwischen 60 Jahre alt, stand (und steht) sie für intimen Folkrock mit Klasse-Texten, die oft schon im Titel Besonderes avisierten, etwa „The New Enzyme Detergent Demise Of Ali Mc-Graw“, „Doppelgänger“, „The Almost And The Needy Case“. „Mythical Kings & Iguanas“ und „Reflections In A Mude Puddle“ (BGO CD 383), zwei Original-Alben von 1971, sind auf einer CD gekoppelt worden. Glatte 4,0 für die ewig Unterbewertete, die manchmal klang wie eine Synthese aus Loreena McKennitt und Harry Chapin. Zeitlos stark.
Nicht zeitlos stark, aber grandios im Vergleich mit dem neuen Album „Neapolis“: die SIMPLE MINDS am Anfang. „The Early Years 1977-78“ versammelt rohe New-Wave-Klopfer, die fast an The Jam heranreichen. Fast. Leider nicht aufgelöst. 3,0