Richard Ashcroft – Alone With Everybody

Ein Visionär in eigener Sache ist er immer gewesen: Richard Ashcroft nahm sich schon als Vorsteher von The Verve wichtig genug, um seine kleinen großen Gefühle mit solcher Ungeniertheit zu zelebrieren, dass viele einspruchslos folgten und sich dem angebotenen Pathos ganz hingaben um dabei gelegendich fahler Schaumschlägerei auf den Leim zu gehen, statt wahre Größe zu finden.

„Alone With Everybody“, das Solodebüt des Sängers und Liedschreibers, ist wiederum das Werk eines Visionäre. Bloß die Vision ist eine andere: Anstelle der drogenvernebelten Psychedelic-Attitüde, mit der sich The Verve ganz zeitgemäß ins britpoppige Treiben der Jahre ’97/’98 einpassten, leiht sich Ashcroft nun Trompeter, Flöter und Gospelsänger und kleidet sich in das Gewand einer kontrollierten, dezenten Pop-Produktion. Schon der Opener „A Song For The Lovers“ funktioniert als Grenzpfahl. Zum moderaten Uptempo-Beat gibt sich Ashcroft samt seiner exquisiten Mietmusiker ganz abgeklärt und seltsam gedrosselt, alles fließt irgendwie ins Traumhafte, Bodenlose.“I’m a train moving in some foreign country“, singt der Künstler dazu, „I ain’t got a ticket for this ride.“

Als blinder Passagier hat Ashcroft einige Erfahrung; schon The Verve konstituierten sich aus einem reichen Zitatenschatz, waren brillante Diebe, deren geliehenen Gefühlen man sich zuweilen nicht so recht entziehen konnte. Das auf dem neuen Territorium Gefundene vermengt Ashcroft zu einer angenehm eigenartigen Melange aus gediegenem Design und salbungsvoller Hippie-Weihe. Swinger-Schunkler wie „Brave New World“ und urbane Hymnen wie „New York“ sind Pop unter Wasser, Lieder im Wattebausch, in denen jeder Schmerz nur eine Erinnerung und jeder Schweißtropfen nur eine Möglichkeit bleibt. „Alone…“ wird so zu einer Art Initiationritus, mit dem Ashcroft die Koordinaten fürs künstlerische Fortkommen neu setzt und die wilden Jahre ins Vergangene verbannt.

Was bleibt, ist dieses Zeitlupenhafte, die mächtige Geste, die freilich nicht immer gelingt. Aber das schließlich ist ein Merkmal Ashcrofts, der immer in den Himmel will und seine kleinen Melodien mit viel Glaubensatem zu sublimer Größe aufzublasen versucht – ein riskanter Akt, der dem Zuhörer fast ebenso viel religiösen Eifer abverlangt wie dem Künstler selbst.

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