Richard Hawley

Truelove’s Gutter

Göttliche Tragödien: ein zeitloses, angenehm dunkles Album

Was für eine Sonne mag das sein, die sich im Intro von „As The Dawn Breaks“ so mühsam aus der Schwärze nach oben kämpft? Ein anschwellendes Dröhnen, das sich jedoch bald in Gongs und sanft perlende Gitarrenakkorde auflöst, die wie wärmende Lichtstrahlen in eine von Frühnebeln verhangene Welt fallen. Richard Hawleys sechstes Studioalbum ist ein Meisterwerk, nicht nur in der Stimmung vergleichbar mit Frank Sinatras „In The Wee Small Hours“, vielleicht etwas weniger urban, manche Melodie scheint im Folk oder Country zu wurzeln.

Eine angenehme Müdigkeit und Melancholie liegt über diesen Liedern, in denen Männer ihren Gefühlen nachspüren: mühsam, tastend, bisweilen tollpatschig. Wenn Hawley in „Open Up Your Door“ nach einem Streit unter Liebenden um Vergebung bittet, hat das etwas Rührendes. „Ain’t Too Proud To Beg“, sangen ja bereits die Temptations. Zum Brausen der Streicher erinnert auch der Mann aus Sheffield daran, dass wahre Liebe selten zu finden ist – und hat dabei Hintergedanken, die eher an „Baby, It’s Cold Outside“ erinnern.

Auch „Ashes On The Fire“ klingt mondän und klassisch, so zeitlos raffiniert wie praktisch alle Songs dieses angenehm dunklen Albums. Da schreibt man noch Briefe, spät in der Nacht, wie sich das für hoffnungslose Romantiker gehört und erklärt darin seine grenzenlose Liebe. Doch was für ein Schreck am nächsten Morgen! Der Brief ist verschwunden, nur Asche blieb übrig. Hier reduziert sich die Welt nicht auf die Codes und den Erfahrungsraum von Teenagern. Es sind Erwachsene, die sich in diesen Liedern vor Sehnsucht verzehren, aber auch ganz normal Ironie zeigen, träumen, deprimiert sind.

Der Titel des Albums bezieht sich, wie schon die Vorgänger „Coles Corner“ und „Ladys Bridge“, wieder auf einen heruntergekommen Ort in Sheffield. Und man denkt beim Hören tatsächlich an ganz einfache Menschen, die Songs wie „Don’t Get Hung Up In Your Soul“ bevölkern. Und Hawley, dieser Poet, umrahmt ihre Geschichten aufs allerschönste: mitsingenden Sägen, einer Lyra, mit Glasharmonika.

Es geht dabei nicht um eine Glorifizierung der Vergangenheit mit altertümlichen Instrumenten. Es geht darum, eine musikalische Sprache zu finden, mit der man Gefühle beschreiben kann, die sehr selbstverständlich sind – aber niemals banal. Das über zehnminütige „Don’t You Cry“ macht aus einem einfachen Liebeskummer eine göttliche Tragödie. Fast sehnt man sich nach etwas Unglück, so schön ist dieser „Rinnstein der wahren Liebe“.