Rick Nelson – For You – The Decca Years 1963-69 :: Nelson als Rockabilly-Cat – und die mittleren Jahre im Box-Set

Steve Marriott war ein Kinderstar, bevor er zum Modidol wurde, der kleine Ricky Nelson auch, aber der war dann „nur“ ein Teen-Idol. Allerdings Amerikas größtes. Kein singender Kleiderständer wie Fabian & Co., sondern auch ein erklärter Fan von Rockabilly Music im allgemeinen und Johnny Cash ganz besonders. Dessen „Restless Kid“ versuchte er —von Howard Hawks ganz gegen sein Fernseh-Image für die Rolle des Scharfschützen Colorado in „Rio Bravo“ ausgesucht – in diesem Western unterzubringen, weil er den Song ganz fabelhaft fand. Aber dawar der berühmte Dimitri Tiomkin stramm dagegen. Der ließ gerade mal zu, dass er mit Dean Martin und Walter Brennan ein paar wenige Kostproben seiner Sangeskunst geben durfte, bevor sie dann der Mörderbande des örtlichen Viehbarons ein Ende machten.

Man muss wohl oder übel den Begriff eklektizistisch bemühen, um seinen“wählerischen“, dabei recht breit gefächerten Musikgeschmack korrekt zu beschreiben. Die große Ära des Rockabilly war schon vorbei, als man ihn erstmals in ein Tonstudio steckte. Aber ein paar Aufnahmen in diesem Stil wollte er dennoch machen. „Milk Cow Blues“, „Mystery Train“ und „Blue Moon Of Kentucky“ nahm er sogar auch noch Jahre später auf, als längst die Beatles-Ära dämmerte. Ganz seinem Image wurde der Millionenseller gerecht, mit dem er 1957 debütierte. Aber auf „A Teenager’s Romance“ folgte umgehend die Cover-Version eines Fats-Domino-Songs, und auch „I’m Walking“ (Top 4 der Hitparade) kaufte man ihm sofort ab.

Nach dem Wechsel zum Imperial-Label desselben Fats Domino war „Be-Bop Baby“ der Einstand nach Maß. Verve konnte ihn nicht wegen Vertragsverletzungverklagen: Er hatte keinen Vertrag unterschrieben! Bei so viel Erfolg durfte er von Anfang an eine Marotte kultivieren, die er auch viele Jahre später nicht aufgab: Hin und wieder nahm er Uralt-Hits von Croonern aus versunken Pop-Dekaden auf und hatte damit sogar kleine eigene. Aber mit dieser durchaus nicht so abwegigen Repertoirepolitik hatte schließlich auch der Kollege Dean Martin beachtliche Erfolge zu verzeichnen. Das von Hoagy Carmichael mal (in einem Howard-Hawks-Film notabene) so hinreißend vorgetragene „Am I Blue“ interpretierte er schön originalgetreu. Bette Midier sollte daraus später ganz großes Melodram machen.

Auf die Burnette-Brüder war damals Verlass, die lieferten ihm maßgeschneiderte Songs in Serie wie andere von soviel mess- und zählbarem Ruhm faszinierte Songschreiber auch. Dem ansonsten nicht weiter durch Originalität aufgefallenen Bobby Lee Trammell erklärte der Jungstar 1958, er sei so gut, dass er den um weitere Songs bat. Dessen „Shirley Lee“ hatte er in derselben Session aufgenommen wie „There’s Good Rockin‘ Tonight“ und Roy Orblsons „Down The Line“. Wobei die Trammell-Komposition ganz unverkennbar vom besagten frühen Elvis-Klassiker sehr „inspiriert“ war. Trammell meinte, er sei zu beschäftigt, könne nicht mehr liefern. ^Vas er, wie Colin Escott süffisant in den Liner Notes zu „Ricky Roc)(.s“anmerkt, dann doch ziemlich bedauert haben dürfte, als er sah, wie die Burnette-Brüder 10 ooo-Dollar-Schecks kassierten. Denn die ersten LPs schössen umgehend in die Top Ten und verkauften sich millionenfach.

Diese Popularität war auch Garant dafür, dass ihm seine Begleiter — und niemand hatte in dem Geschäft bessere als Ricky Nelson, auch Elvis nicht! -treu blieben. Arrangeur Jimmie Haskell, Gitarrist James Burton und die brillante Rhythmusgruppe meisterten auch Willie-Dixon- und Willie-Jacobs-Material souverän. Wer „My Babe“ nur in bluesigeren Deutungen kennt, sollte sich mal die Rockabilly-Auffassung desselben von diesem Team anhören. Das von Burton selber und James Kirkland geschriebene „There Goes My Baby“ war zwar genau genommen ziemlicher Klau (bei Chuck Berry und etlichen anderen dazu), aber die Gelegenheit zu einem prima Gitarrensolo nutzte der Maestro auch hier. „Ricky Rocks“(* * * * 1/2) bietet ausschließlich solche Aufnahmen der Verve/Imperial-Jahre, nicht eine einzige Ballade. Um des lieben Friedens willen aber doch zum Schluss „Hello Mary Lou“. Und auch die A-Seite, also „Travelin‘ Man'“, mehr Roll als Rock.

Beim Wechsel zu Decca kassierte der Star auf dem Höhepunkt seines Ruhms eine ähnlich spektakuläre Garantiesumme wie vorher die Everly Brothers bei ihrem zu Warner Bros. 1960. Mit Hits wie „Fools Rush In“, „For You“ und „The Very Thought of You“ schien die Karriere zunächst mal glatt so weiter zu lauten wie zuvor. Das waren übrigens alles schon 1940, 1933 und 1934 (!) mal Hits gewesen. Für Glenn Miller und andere Altvordere nämlich. Sogar mit „String Along“ erreichte er eine höhere Hitparaden-Position als drei Jahre zuvor Fabian mit seiner Version.

Aber hier zeichnete sich schon das Dilemma der Decca-Ära – dokumentiert auf „For You -The Decca Tears 1963-69″klar ab: Was immer er jetzt von Hank-Williams- bis Randy-Newmanund von Tim-Hardin- bis Lovin‘ Spoonful-Songs autnahm, musste sich an den Originalen und hochkarätigen Cover-Versionen messen lassen. Die von „She Belongs To Me“ (Top 33 der Single-Hitparade immerhin) fand Dylan richtig gut. Das wie immer bei Bear Family hinreißend ausgestattete Set dokumentiert auch die Not des eigentlich auf erstklassiges, für ihn komponiertes Originalmaterial angewiesenen Interpreten. Richtig groß kam er erst danach zurück – ab 1972 als Country Rock-Star!

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