Robbie Williams – Sing When You’r Winning

Diese Platte hätte auch „I Hate Myself And I Wann To Die“ heißen können, aber der Titel war vorbelastet. Robbie, der Wonneproppen, der Hansdampf-bei-allen-Filmpremieren, der womanizer wnd Großkotz, hat auch gar keine Bauchschmerzen, er kokettiert nur gern. Seine Drogenbeichte geht ins fünfte Jahr. Von Bier hält er sich fern – dabei brauchte es ein Fass, um den vermutlich mit Naturrauschgift ausgestatteten Burschen umzuhauen. Und wir kennen ja diese schamlosen Fotos, auf denen Robbie sich in die Hose greift, als wollte er Al Bundy oder Mark Wahlberg in „Boogie Nights“ seine Reverenz erweisen. Was er da unten wohl vermutet?

Songs jedenfalls wird er in der Region nicht finden, denn die schreibt ihm Guy Chambers, vor Jahren erfolglos mit seiner Band The Lemon Trees. Chambers ist eine Art Pop-Professor, der sich aufs Elektronische ebenso versteht wie aufs Balladeske, der das Coole mit dem Kitsch vermählt, den Krawall mit dem Kontemplativen. Die menschliche Jukebox. Effektiver als Chambers hat noch selten jemand Songs erfunden und produziert. Aber was barmt sein Schützling bloß? „If you’re willing to change the world/ Let love be your energy/ I’ve got more than I need/ When your love shines down on me.“ Viel Pomp und Pathos für jemanden, der behauptet, er habe noch niemals geliebt. Dem gegenüber stehen ja zahlreiche Damen (die Hotelfachfrau aus Lüneburg!), die sich an Gegenteiliges erinnern. Robbie, der Romantiker. In „Better Man“, nicht zufällig bei Eddie Vedder entlehnt, bettelt er: „Give me endless summer/ Lord

I feel the cold/ Feel I’m getting old/ Before my time.“ Williams‘ schlimmste Angst, das vorzeitige Altern, furchtet er wie sonst nur die vorzeitige Ejakulation. Mit 25 droht das Greisentum: Den Problemkomplex umkreist er seit „Old Before I Die“, wenn auch seitdem nicht überzeugender.

Dies sind also die ersten beiden Tracks von „Sing When You’re Winning“: ein Hymnus und, tja, ein Hymnus in Moll. Der nächste Hymnus soll irgendwie mit Daft Punk zu tun haben, ist aber ein massenkompatibles Gesamtprogramm zeitgenössischer Dancefloor-Produktion von Stuckrad-Barreschem Witz: „Rock DJ“, das Manifest des Hedonismus, Teil 225. „I don’t wanna be sleazy/ Baby just tease me/ Got no family planned/ Houston can you hear me.“ Vom schlechten Reim bis zum billigen Kalauer: der ganze Robbie. Charmant.

Wie auch „Supreme Amour“, das bis kurz vor Veröffentlichung noch „Love Supreme“ hieß, was offenbar zu offenkundig war. Jetzt französelt es. Dennoch ist das Stück eigentlich mal wieder „You Will Survive“, was beiläufig aufgeklärt wird mit den hübschen Zeilen „Will you survive/ You must survive“. Allerliebst auch der Aphorismus „And all the best women are married/ All the handsome men are gay.“ Oscar Wilde, here we come! „Kids“ ist das Stück mit dem ewigen Prinzessböhnchen Kylie Minogue, das hier eine kleinere Rolle spielt als noch bei Nick Cave. Robbie macht keinen Hehl daraus, dass er das äffchenartige Wesen nur beschäftigt hat, weil Musikjournalisten immer auf die Göttliche anspringen. Ihm selbst habe es beim gemeinsamen Singsang die Stimme verschlagen. Kaum zu glauben, dass Robbie ein einziges Mal nicht gebaggert hat. Aber vielleicht ist Kylie schon unberührbar geworden. Das Lied endet ohne sie mit einem fabelhaften Rap, einer Selbstbeweihräucherung, die sogar bei L. L Cool J Eindruck machen würde: „I’m an honorary Sean Connery, born 74/ Ain’t no chance of the record Company dropping me/ Press be asking do I care for sodomy/ I don’t know, yeah, probably.“ Bereits jetzt die meistzitierte Passage des Albums und lustig wie die Hölle.

Aber wir müssen zum Ende kommen. „If It’s Hurting You“ ist die große „Angels“-Ballade („Oooh oooh“), „Singing For The Lonely“ eine Umschreibung von Roy Orbison, „Love Calling Earth“ praktisch „Space Oddity“ mit der Liebe in der Rolle von Major Tom und Lionel Richie als Bowie. „Knutsford City Limits“ ist das vielleicht rührendste Stück. Abgesehen von der Anspielung auf einen bekannten Song der Popmusik, ist es eine klassische Herkunftslegende: „You said I was northern scum; I was wounded baby.“ Und unvergesslich: „It’s alright, everything mellows in moonlight“ Mag ja wieder geklaut sein von Loudon Wainwright III – wen kümmert’s, wenn wahres Genie waltet „Forever Texas“, einen Rocker, mögen künftige Generationen interpretieren („Give me Texas wisdom/ Massive systems“), und „By All Means Necessary“ und „The Road To Mandalay“ (vormals „The Beach“) sind elegische Schlussgesänge.

Da mag Robbie die Hand beruhigt in der Hose versenken: Er hat zurzeit den Längsten.

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