Robert Wyatt – Shleep

Replay. Sechs Jahre sind seit „Dondestan“, dem letzten Album von Robert Wyatt, ins Land gegangen. Der Sommer war 1991 auf fast schon apokalyptische Weise heiß. Die Erde bebte (Golf krieg, Gorbatschow-Putsch), aber die britische Jugend hielt das Beben für einen Tanzbeat. Ein seltsames Jahr. Gut, daß es Weise gibt wie Robert Wyatt, die aus ihrer Parallelzeit alle paar Jahre mal zu uns Würmern herübergrinsen. Sie beweisen Kontinuität, wir halten Andacht Jetzt meldet sich Wyatt mit einem Album zurück. Oder, wie man bei Eminenzen dieses Kalibers sagt: Er „äußert sich“.

yJDondestan“ war eine Meisterplane, aber sie lag wie Blei im Herzen. Diese Verknüpfung von schon beinahe klaustrophobischer Intimität und globaler Polit-Analyse hatte etwas Niederschmetterndes. Wyatt sang mit seiner hohen, vibrierenden Stimme den Schwanengesang der kommunistischen Idee. Hoffnung leuchtete nur hie und da auf. Nun hat sich in globaler Hinsicht wenig getan in diesen sechs Jahren – auch heute noch könnte man das Nord-Süd-Gefalle ohne Brisanzverlust besingen. Aber der aktuelle Robert Wyatt hält sich mit Worten zum Sonntag zurück. Statt dessen kommt er dem Kommune-Gedanken ganz praktische wieder näher: „Shleep“ ist schon fast das Produkt eines Kollektivs. Eine Menge berühmter Leute haben mitgemischt, von Eno bis Weller. Die Kooperation der Einzelgänger.

Sie alle begleiten den Mann an einen dunklen Ort: Wyatt läßt uns hinter seine Augen blicken. „Shleep“ gewinnt seine Essenz nicht durch Analysen, sondern durch Assoziationen. Besonders die versponnenen Texte von Wyatts Lebenspartnerin Alfreda Benge erinnern an Traumprotokolle. In „Heaps Of Sheps“, das Brian Eno hübsch Eno-esk arrangiert hat, zählt der Sänger Schäfchen, um einschlafen zu können. Aber die Tiere verlassen das Blickfeld nicht, der Mann findet keinen Frieden. Er ist noch nicht mit sich im Reinen – und wenn er schläft, sind seine Träume wirr. Der „Blues In Bob Minor“ aktualisiert Dylans „Subterranean Homesick Blues“ mit Bildfetzen aus einer Umgebung, in der die Medien die Macht übernommen haben. „Free Will And Testament“ befragt die eigene Wahrnehmung: „I have my senses and my sense of having senses. Do I guide diem? Or they me?“ Ein philosophischer Jazz, bei dem Paul Weller die Gitarre streichelt. Die Platte klingt aus mit einem alten Instrumental von The Style Council. Robert Wyatt rezipiert die Achtziger – ach was, er äußert sich dazu!

„Shleep“ ist eine Reise ins Ich, bei der Wyatt ein paar Musikerfreunde mitgenommen hat. Als Pate war Freud diesmal wichtiger als Marx. Ist das nun der Rückzug ins Private? Ist es bürgerlicher Individualismus? Bei einem alten Dialektiker wie Robert Wyatt muß man auf die nächst Platte warten, um diese Frage beantworten zu können: Foreward. Und nicht vergessen. 4,0

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