ROOTS

Wie schizophren darf ein Songwriter sein? Eine Frage für Mr. GERRY GOFFIN. Der schrieb, damals noch gemeinsam mit Ex-Gattin Carole King, für die Byrds („Wasn’t Born To Follow“) und Aretha Franklin („Natural Woman“), raspelte aber bevorzugt Süßholz, zuerst für Girl- und Boy-Groups (Shirelles, Drifters etc.), zuletzt für Whitney Houston und Natalie Cole. Jetzt erleichtert Goffin sein schlechtes Gewissen mit gerontokratischem Agitprop-Donner: „Back Room Blood“ (Genes/ARIS), Goffins zweites Solo-Album in 35 Business-Jahren, ist bitterer, zynischer, kämpferischer Rock’n’RolL Teils unerträglich, teils brillant verhaftet der „Hall Of Fame“-Mann die üblichen Verdächtigen eines korrumpierten american dream. Goffin kann nicht singen, macht aber das Beste daraus. Im Sinne eines Keith Richards. Oder Bob Dylan, der fiir zwei der besseren Beiträge („Tragedy Of The Trade!“) als Co-Autor zeichnet, 3,0

Auf Promi-Schützenhilfe kann der wohl ewige Geheimtip MARSHALL CHAPMAN getrost verzichten. Mit „Lore Slave“ (Margaritaville/PMS) gebietet das blonde Tall Girl über eine beeindruckend breite Song-Palette, die frechen Sarkasmus („If I Can’t Have You“) und altersweise Erkenntnis („In The Fullness Of Time“) geschickt ausbalanciert. Mike Utley (Jimmy Buffet, Todd Snider) sorgt für eine satte „Down-to-earth-Produktion zwischen R&B, Soul 8i Country. 3,5

War wirklich alles besser, damals „When Panthers Roamed In Arkansas“? KATE CAMPBELL glaubt wohl selbst nicht daran, denn: „Tupelo’s Too Far“. Trotzdem kann die exzellente Folk-Country-Songschreiberin nicht anders, als in „Moonpie Dream“ (Demon/Edel Contraire) zu versinken, sich treiben zu lassen in einer längst enteilten Zeit. Campbells zweites Album (nach dem geglückten Debüt „Song Front The Levee“) verhandelt Selbstbestimmung („Bascom’s Blues“) und Aufbruch („See Rock City“), ist aber vor allem profunde Erinnerungsarbeit im Sinne Paul Austers: „Es war, es wird nie wieder sein. Erinnere Dich.“ Dabei geholfen haben u. a. Buddy 8C Bill Miller, Al Perkins, Spooner Oldham und Guy Clark als Duett-Gast im wunderbaren „Bud’s Sea-Mint Boat“. 4,5

So einfach geht das: „Der Himmel öffnete sich und es begann französische Songs zu regnen“. Erläutert ZACHARY RICHARD die (kanadische) Vorgeschichte zu „Cap Enrage“ (Initial/ ARIS), seinem ersten Album in der Sprache seiner Acadian-Vorfahren seit 1984. Das damit einhergehende Mehr an regional verwurzelter „Identität“ bezahlt der Cajun-inspirierte Songwriter aus Südwest-Louisiana mit einem Verlust an Allgemeinverständlichkeit, die zumal seine letzten anglo-amerikanischen A&M-Alben („Woman in The Room“, „Snake Bite Love“) angestrebt hatten. Obwohl: „Aux paradis avec toi“ kapiert wohl jedet Und die brennende Sehnsucht und Melancholie in Richards Stimme auch. Ach, Nord-Kanada muß schön sein, wenn sich der Himmel öffnet! 3,5

Diversifikation kann nie schaden. Vor allem, wenn das Genre „Blues“ heißt. Und so beerbt Harp-Spezi BILLY BRANCH für „Satisfy Me“ (Verve/Motor) nicht nur seinen langjährigen Mentor Willie Dixon, wirft nicht nur einen kurzen Blick in die naheliegende Schatztruhe des Memphis-Soul („Pay Or Stay“), sondern wildert auch mit respektablem Ergebnis im Repertoire von Bill Withers, Don Nix, Leon Rüssel und sogar J. J. Cale. Nur der müde Reggae-Aufguß von Withers „Heart In Your Life“ wirkt einigermaßen deplaziert. 3,5

Schade: HARLEY ALLEN sammelt mit „Another River“ (Mercury/PMS) vom flotten Start weg Pluspunkte mit einer transparenten Akustik-Produktion, die den üblichen alten Nashville-Pop-Schlock locker und souverän hinter sich läßt. 3,0

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates