Roots von Jörg Feyer
Nashville werde „implodieren“ – zuviel schlechte Musik“ werde dort produziert, prognostiziert Richard Bennett. Wer sich durch repräsentative Stichproben des aktuellen Output gekämpft hat, kann dem Steve-Earle-Produzenten nur zustimmen. Sicher: Es gibt sowohl bei CHRIS WARD und „One Step Beyond“ (Giant/ARIS) als auch auf „Dreamin‘ Out Loud“ (Capitol/IRS) von TRACE ADKINS und nicht zuletzt bei KENNY CHESNEY und „Me And You“ (BNA/ARIS) den einen oder anderen brauchbaren Song, die eine oder andere Vocal-Nuance. Aber letztlich ist der Sound genauso uniform-austauschbar wie die brave Cowboy-Optik dieser Hat-Acts. Here today, gone tomorrow . Weiß eigentlich jemand, was Billy Ray „Achy Breaky“ Cyrus heute so treibt? 2,0 (alle)
Wo die Männer sich in müdem Konformismus erschöpfen, können die Frauen um so heller strahlen. Und das selbst dann noch, wenn sie sich wie LORRIE MORGAN auf „Greater Need“ (BNA/ARIS) mit schnödem Demi Moore-Professionalismus begnügen. Da können selbst Vince Gill und Travis Tritt nicht widerstehen und laufen gleich paarweise zum Duett-Highlight („Steppin Stones“)auf. 2,5
Verlaß ist weiterhin auch auf Frau TRISHA YEARWOOD, die sich zumal im zweiten Teil ihres neuen Sets „Everybody Knows“ (MCA) von den Erfordernissen des Country-Business löst und mit langem, ruhigem Atem ihrer Ambition nachgeht, in die Fußstapfen von Linda Ronstadt zu treten. Und die sind nicht mal mehr zugroß. 3,5
Auf der anderen Seite von Nashville, in der Bluegrass & Songwriter-Gemeinde, ist JUDITH EDELMANN zu Hause: „Perfect World“ (Demon/Edel Contraire) lebt von einem perfekten, aber kaum sterilen Akustik-Klangbild, in dem Könner wie Jerry Douglas (Dobro) und Alison Brown (Banjo) sogar die nicht durchweg tragende Rolle der Chefin selbst vergessen lassen. 3,0
Der Songschreiber als Short-Story-Writer: ELLIS PAUL aus Boston fühlt sich auch auf seinem zweiten Philo-Album „A Carnival Of Voices“(Philo/In-Akustik) wohl in dieser Rolle. Dabei harmonieren der Detail-Witz seiner Texte, die Geschmeidigkeit seiner Stimme bestens mit der dezenten, aber griffigen Produktion von Jerry Marotta. 4,0
Ein Leben im Banne des Big Band-Sounds: Der 72jährige PORKY COHEN, zuletzt mit seiner Posaune in Diensten von Roomful Of Blues (ROB), mußte über ein halbes Jahrhundert auf sein Solo-Debüt warten. Auf dem programmatisch betitelten „Rhythm & Bones“ (Zensor/Indigo) geht’s fast exklusiv instrumental und extrem cool-swingend zur Sache. Dazu schöne Fotos und gute Linernotes im üppigen Booklet. 3,0
Solange CCR nur als unverschämte Mogelpackung wiederaufzuerstehen, bleiben Kent OMAR Dykes und seine HOWLERS die beste Alternative in Sachen Swamp-Boogie und „Snake Rhythm Rock“ (Songtitel). Beim inzwischen elften Album des Trios, „Southern Style“ (Provogue, Rough Trade), kommen aber auch Texas-Blues-Freaks auf ihre Kosten. 3,5
MICHAEL HILL’S BLUES MOB kann mit „Have Mercy!“(Alligator/Edel Contraire) nicht ganz halten, was die New Yorker Formation anno ’94 mit „Bloodlines“ zu versprechen schien. Denn die stilistische Offenheit zeigt nicht immer so zwingende Ergebnisse wie die Rap-Camouflage „Stagose/Perspective“. So wächst das paradoxe Bild des „Neuerers“, der es „klassisch“ fast am besten kann. 3,0
Der Kreis schließt sich mit „The Hits“ (Curb/Edel) von HAL KETCHUM. Der badet zwar auch gern lau, gehört aber mit seinen Songs zu den Besseren in Nashville. Und Richard Bennett spielt die Akustik-Gitarre. Bis alles implodiert. 3,0