Rum Diary

Die Verfilmung von Hunter S. Thompsons unvollendetem Roman fühlt sich an wie ein ordentlicher Kater

Johnny Depp, Aaron Eckhart

Regie: Bruce Robinson Start: 2.8.

Der Film beginnt mit einem schönen Hunter-S.-Thompson-Moment. Johnny Depp, in der Rolle von Thompsons Alter Ego Paul Kemp, wacht halb nackt und desorientiert in einem Hotelzimmer auf. Die Hausbar liegt zertrümmert am Boden, doch sie hat dem Versuch des Gastes, diese zu öffnen, erfolgreich standgehalten. Als Kemp die Vorhänge beiseiteschiebt, fällt gleißendes Sonnenlicht in das Zimmer. Im Hotelfenster sieht man ein Motorflugzeug mit einem Transparent im Schlepptau: „Puerto Rico begrüßt Union Carbide“. Wir befinden uns im Jahr 1961. Der Ausverkauf der Karibikinsel hat begonnen.

„Rum Diary“ ist lange eine Herzensangelegenheit Johnny Depps gewesen. Ihn verband mit Thompson bis zu dessen Selbstmord im Februar 2005 eine innige Männerfreundschaft. Während der Vorbereitungen zu Terry Gilliams „Fear And Loathing In Las Vegas“ entdeckte Depp das unvollendete Manuskript aus den frühen 60er-Jahren, kurz nachdem Thompson als Sportschreiber bei einem kleinen Blatt in Puerto Rico angeheuert hatte. Ursprünglich hätte „The Rum Diary“ Thompsons Romandebüt werden sollen, doch der Text fiel einer seiner legendären Schreibblockaden zum Opfer. Noch Ende der Neunziger äußerte Thompson sich wenig enthusiastisch über das verschollen geglaubte Frühwerk. Depp war es, der nach Thompsons Tod die Verfilmung des Romans protegierte.

Die Vorlage besitzt in Grundzügen bereits alle Anlagen des frei flottierenden Thompson-Irrsinns. Die Sprache wirkt rückblickend noch gemäßigt, doch der messerscharfe Sarkasmus der späteren Polit-Reportagen für den Rolling stone ist zu erahnen. Auch Bruce Robinsons Adaption ist als echter Thompson zu erkennen. Der Regisseur, der mit dem bittersüßen Alkoholikerdrama „Withnail And I“ (1987) quasi seine Visitenkarte für „Rum Diary“ abgegeben hat, trifft den mäandernden Rhythmus Thompsons auf den Punkt. Sein Film zerfällt in viele kleine Eskapaden und abschweifende Nebenhandlungen, die sich lose um den Hauptplot ranken. Der fahrige Erzählfluss verströmt eine schläfrige, karibische Trägheit, die an einen ordentlichen Kater erinnert.

Dass der Film ein wenig ziellos vor sich hindümpelt, mag also konzeptuellen Erwägungen geschuldet sein. Als Zuschauer fühlt man sich irgendwann angenehm eingelullt von dem schwülen Ambiente und den zwielichtigen Etablissements – mitunter aber auch gelangweilt. Thompsons Gabe, mit wenigen Beobachtungen Lokalkolorit zu zeichnen, ohne in Banalitäten abzuschweifen, geht Robinson ab. Puerto Rico sieht bei ihm aus wie eine Reisebroschüre. Die 60er-Jahre sind seit „Mad Men“ stilistisch ja wieder schwer im Kommen – die Insel genoss zu jener Zeit allerdings eher den zweifelhaften Ruf eines Eldorados für Aussteiger, neureiche Entrepreneure und übergewichtige Rentner. Kemp hat es für einen Job von New York nach Puerto Rico verschlagen. Sein Redakteur beim „San Juan Star“ schätzt die Integrität der neuen Edelfeder, riecht aber schon beim Vorstellungsgespräch Ärger – Kemp schwitzt das flüssige Gold der Insel aus jeder Pore.

Zu seinen neuen Saufkumpanen gehören der Fotograf Sala und der psychotische Hitler-Fanatiker Moberg. Statt zu arbeiten, verbringen die Gringos ihre Zeit vornehmlich in Bars, misstrauisch beäugt von den Einheimischen. Und bevor Kemp begreift, dass die Amerikaner Puerto Rico nur als Fußabtreter benutzen, ist er auch schon in die Machenschaften einer Gruppe mafiöser Finanzinvestoren um den aalglatten Geschäftsmann Sanderson verwickelt. Kemp soll einige Artikel lancieren, um den Einheimischen ein millionenschweres Spekulationsgeschäft schmackhaft zu machen. Da er eh keine Wahl und außerdem ein Auge auf Sandersons Mädchen geworfen hat, willigt er ein.

Mit einem irren „Fear And Loathing In Las Vegas“-Moment kann der träge „Rum Diary“ dann doch aufwarten: als Moberg Kemp und Sala eine unbekannte Superdroge besorgt (von der CIA erfolgreich an Kommunisten getestet). Da werfen die psychedelischen Sechziger kurz ihre Schatten voraus. Depps Echsen-Visionen erinnern allerdings auf billige Weise auch an „Cheech und Chong“-Filme. Solche Inkonsequenzen sind wohl das größte Manko des Films, in dem Thompsons delirantes Genie nur gelegentlich aufblitzt. Seinem Ruf als Kamikaze-Journalist und waffenschwingender Maniac wird „Rum Diary“ nicht gerecht.

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