Ry Cooder – Chavez Ravine
Er mache nur noch selten Platten, sagt Ry Cooder, weil Platten kein Selbstzweck seien, ja Sinn stiften müßten. Weshalb Cooders Kunst wie stets kulturelle Aneignung voraussetzt und die Kenntnis von ethnischen und sozialen Hintergründen. Die er als Eingeborener von Los Angeles mitbringt, auch wenn er noch ein Kind war, ab man das von Chicanos bewohnte Armenviertel Chavez Ravine abriß und dort ein Stadion hochzog, mit dem die Brooklyn Dodgers in die Stadt der Engel gelockt wurden. Eine Geschichte von Gewalt und Ohnmacht, von Idealen und Korruption, in einem vergifteten Klima der Verdächtigung und Verfolgung, des McCarthyismus und des Kalten Krieges. Alles „Don’t Call Me Red“ zu entnehmen, einem der Schlüssel-Tracks dieses Konzept-Albums, der das politische Tauziehen thematisiert, das dröhnende Propagieren einer Slum-freien Stadt, das salbungsvolle Versprechen einer besseren Zukunft ohne Depravation und „rat-in fested homes“, die unterschwelligen Drohungen der Investoren.
Cooder zitiert und collagiert, klärt auf und verklärt, nicht primär politisch motiviert, sondern gefangen in wehmütigen Erinnerungen an eine andere, menschlichere Zeit Chavez Ravine, so der Tenor dieses bisweilen zum Sozialromantischen und Heimeligen neigenden Songreigens, war ärmlich, aber kein Ort des Elends. Nicht, bevor das große Geld kam und Keile zwischen die Bewohner trieb, ihnen ihre Identität raubte. „Na na na na na“, säuselt es, Jiving in a poor man’s shangrila“. Cooder gaukelt keine Idylle vor, feiert aber den Gemeinsinn und den Zusammenhalt unter der Zuwanderern: „celebration of a Community“.
Musikalisch ingeniös umgesetzt, mit englisch wie spanisch gesungenen Liedern jener Epoche, mit einem fast vergessenen Tune der Herren Leiber/ Stoller sowie eigens für das Album geschriebenen Songs. Little Willie G, Sänger von Thee Midnighters, kollaborierte mit David Hidalgo von Los Lobos, die Pachuco-Patriarchen Lalo Guerrero und Don Tosti beschwören ihre Jugend, Flaco Jimenez steuert auf „Barrio Viejo“ Conjunto-Flair bei und „In My Town“ ist Chet Baker, glatt und cool und entwurzelt. Am Ende wird’s sentimental. „If you wanna know where a local boy like me is Coming from“, so ein alter Vertriebener, der die stolze Antwort nicht schuldig bleibt: „third base, Dodgers Stadium“. Baseball heilt Wunden.