Ryan Adams :: Easy Tiger
Der Vielschreiber bricht nur noch selten die Herzen seiner Hörer
Wie hat man mitgelitten, als Ryan Adams auf seinen ersten Soloalben, „Heartbreaker“ und „Gold“, und dem schwelgerischen letzten Whiskeytown‘ Album „Pneuinonia“ über verkorkste Liebe, Enttäuschungen und seingebrochenes Herz sang. Dass danach von immer neuen Abstürzen und Freundinnen die Rede war, die selbstverständlich auch alle besungen werden mussten, hat’s einem allerdings ein bisschen verleidet. Hunderte von Songs auf unveröffentlichten Platten mit wenig subtilen Titeln wie „The Suicide Handbook“ und „Love Is Hell“ schürten den Mythos des rastlosen Genies. Als „Love Is Hell“ schließlich doch erschien, war der Mythos natürlich hin. Stattdessen hatte man ein weiteres Ryan-Adams-Album, das – wie die anderen handwerklich alle vollkommen okayen Platten – dem Werk dieses Vielschreibers nichts Wesentliches mehr hinzufügte. Ryan Adams bricht einem schon lange nicht mehr das Herz.
Und nun sitzt man da vor den blinkenden Lichtern einer Stereo-Anlage und versucht dem in etwa zehnten Adams-Soloalbum dieses Jahrzehnts die alte Magie abzuhören. Nicht mit einem Stethoskop, aber mit einem Kopfhörer sucht man nach dem unregelmäßigen Schlag des beschädigten Herzens. Im Country-Croon des Eröffnungsstücks „Goodbye Rose“, das Adams knödelt, als hätte George Jones ihn vorher unter den Tisch gesoffen, findet man ihn nicht. Die Schnulze „Two“, bei der Sheryl Crow (Sheryl Crow!) harmonisiert, ist ganz ohne jedes Lebenszeichen. Mit „Everybody Knows“ folgt eine akustische Ballade, von denen Adams täglich vermutlich Dutzende schreibt – allerdings zugegebenermaßen so gut wie kaum ein anderer. Bei scheinbar nebenbei hingeworfenen Songs wie „Oh My God, Whatever, Etc.“, „Off Broadway“, „These Girls“ und „I Taught Myself How To Grow Old“ schlägt das Herz der zwischenmenschlichen Finsternis höher. „Tomorrow’s on its way/ There’s always new songs to sing“, singt Adams im rootsigen drawl „Pearls On A String“ – doch nicht jedes Lied ist es wert, auf einem Album zu erscheinen. Mit der programmatischen Zeile „Here comes that shit again“ führt Adams seine Cardinais etwa in den üblen Melodie-Rock „Halloweenhead“. „Guitar solo“, fordert er und barmt mit jeder Menge Pathos zwischen den Beinen „oh lord“. Der „Easy Tiger“ wird hier zum tauben Leoparden. In „Tears Of Gold“ gibt Adams eine manierliche Gram-Parsons-Inkarnation ab, „The Sun Also Sets“ klaut die Klavierakkorde bei „Let It Be“ und das billige Pathos bei Starsailor (Starsailor!). Das ereignislose „Rip Off“ hat man in der Sekunde vergessen, in der das darauffolgende gefällige „Two Hearts“ beginnt. Am ehesten erinnert das unausgegorene „Easy Tiger“ an „Demolition“, die aus einer Reihe unveröffentlichter Alben zusammengestoppelte Songsammlung von 2002. Manchmal hört man das wunde Herz pochen, und zuweilen ist es auch nur die Seele, die verzweifelt klopft, damit man sie aus einem toten Körper befreit.