Santigold

Master Of My Make Believe

Warner VÖ: 05. Mai 2012

Im Grunde könnte man Santigolds speziellen Club-Pop-Ansatz schon mit „Disparate Youth“, einer der Vorab-Singles ihres zweiten Albums, auf den Punkt bringen. Geklaut von XTCs „Making Plans For Nigel“, aber satt auf Clublevel tiefergelegt, verbindet sie eine dubbig federnde Basslinie mit sämig zickigen Keyboards und schrill hackenden Akzenten der Gitarre.

Santigold beschwört dazu in aufmüpfig melodiösem Singsang jugendliche Sturheit, Selbstbewusstsein und Skepsis – so wie es sich gehört, wenn schon das Debütalbum für die zusammengebissenen Zähne gefeiert wurde, mit denen Santi White zugleich die Musikindustrie wie die harten Jungs vom Block anpöbelte und dabei mit größter Selbstverständlichkeit weiße Eighties-Einflüsse von Siouxie Sioux zu den Clash mit den Prekariatssounds zwischen New York, Kingston und Johannesburg mischte. Santigold war als Hype der Saison 2008 eine Art Brooklyner Gegenstück zur zappligen Londoner Rapperin M.I.A., allerdings ohne deren schrillen Drittwelt-Aktivismus und Radical Chic.

Dafür besaß sie bereits stattliche Poperfahrung. Mit immerhin 32 Jahren hatte die Debütantin in A&R-Jobs und der Ska-Punkband Stiffed gearbeitet, aber auch Songs für Wu-Tangs GZA, Lily Allen und Ashlee Simpson geliefert. Seit ihrem Coming-out als Solistin kamen in den vergangenen drei Jahren noch zahlreiche schicke Arbeiten mit Kanye West, Jay-Z und den Beastie Boys dazu. Entsprechend trotzig behauptet sie nun auf „Master of My Make Believe“ schon im Titel, dass sie sich in ihre spezielle Form künstlerischer Illusion nicht hineinpfuschen lasse. Wer ihre Zusammenarbeit mit einer Major-Firma inkonsequent findet, dem wird durch ihre multiple Herrscherinnenpose auf dem Cover erklärt, dass in diesem selbstbewussten Entwurf mehrere Identitäten denkbar sind.

Unter einem grundsätzlichen Willen zum Groove prägen jedoch vor allem zwei Richtungen das Album. Mit synthrockiger Verve kräht sie etwa mit Karen O von den Yeah Yeah Yeahs auf der etwas hooliganhaften Single „Go!“, rasselt mehrfach gelayert durch den Reggae-Rave von „God In The Machine“, und klingt einige Male, als bewerbe sie sich beim Neo-Goth-Star Zola Jesus. Demgegenüber stehen vorwiegend quietschende und bollerende Global-Disco-Tracks, mitgestaltet von Produzenten wie M.I.A.-Intimus Diplo, mit dem sie schon auf dem Debüt zusammenarbeitete, und Leuten wie dem afrikanisch inspirierten Buraka Som Sistema aus Portugal: Songs aus minimalistisch beulenden und hinkenden Bassdrums, brutzelnden Bässen und rappelnder Percussion, über die White mit selbstbewusstem und doch leichtem Großmaulschlag rappt und singt.

Natürlich fehlt der Überraschungseffekt des Debüts. Doch der entscheidende Spaßfaktor liegt auch diesmal an der magischen Lässigkeit, mit der Santigold ihren Disco-Eklektizimus zum breitentauglichen Pop-Konzept erklärt.