Scenic – Incident At Gima

4,0 IRC 10 NT IT CMM Scenic Independent Project Records usik für Fortgeschrittene. Melodien für Millionen, die jetzt leben und niemals sterben werden. Kontemplationsmusik aus Amerika: Landschaftsmalerei, Kunstschaffen, Enigmatik, Experimentierschönheit. Die Form vor dem Inhalt. Kein Wort wird gesungen. Und obwohl es manchmal fast so klingt: nie, niemals Rock. Tortobe stammen aus Chicago, Scenic irgendwo aus Arizona. DerName des ersten Ensembles wird ein Verbrauchertip tordes ausgesprochen, der Name des zweiten hat nichts mit Siemens-Nixdorf, dessen Multimedia-Programm und den ersten fünf Anwendern zu tun. Über Tortoise werden seit dem Debüt-Album von 1994 und den folgenden Remixes ,JRhythms, Güsters And Resolutions“ Seminare veranstaltet; Scenic kommen aus dem Off der amerikanischen Independent-Szene – wobei schon „Szene“ vermutlich eine Übertreibung ist Bei Tortoise schwärmt man von Dub, bei Scenic könnte man Sub sagen. Tortoise bedeuten immer auch graue Theorie – und machen doch die reine Poesie. Bei Scenic hat bereits die umweltfreundliche, wundersam verschachtelte, handgeschöpfte Papp-Verpackung mit hübsch rostigen Aufdrucken etwas fast connaisseurhaft Sinnliches; die Instrumentalstücke heißen „The Shifting Sand“, „On The Dune“, „Carrying On To Cadiz“, „The Road To Ivanpah“, „East Mojave Shuffle“. Und die drei Musiker Bruce Licher, Brock Wirtz und James Brenner stehen vor karstiger Wüsten-Kulisse und blicken der Einsamkeit ins Auge. Wobei ihnen das Kunststück gelingt, in ihren Gitarre-Baß-Schlagzeug-Miniaturen die Weite ebenso zu evozieren wie jäh hereinbrechende Düsternis und galoppierende Rockismen, die das plane Idyll zur schaurig-schönen Untergangslandschaft umkolorieren. Aus dem Monochromen schälen sich immer mal wieder konzentrierte Riffs und Melodielinien. Das ist roher und bodenständiger als die auch am Jazz geschulte Raffinesse von Tortoise, ist eher Heimatmusik und elektrische Folklore – Avantgarde jedoch ist es auch. Scenic sind die nachträgliche Vertonung des Monument Valley in den Filmen von John Ford. Im Fall Tortoise ist es schwieriger, überhaupt noch etwas Plakatives (oder wenigstens etwas Spitzfindiges) zu bemühen: Superlative sind streng verboten, kryptischmusikologische Reflexionen auch. „Ambient-Dub“ muß als Stichwort für die einzigartigen Forschungen von Bundy K. Brown, John McEntire und Kollegen herhalten – weil aber auf „Miüions Now Living Will Never Die“ mehr passiert als auf dem kompletten Haufen gegenwärtiger Rock-Alben (mit der wir Banausen freilich weniger Mühe haben) und allein die eröffnende 20-Minuten-Meditation,,Djed“ ein Rätsel- und Wunderwerk musikalischer Komposition und Geist-Erhellung ist, drängt es den staunenden Zuhörer zur Deskription. Vergeblich, gewiß. „Djed“ ist eine aus mehreren Teilen gefugte, gewobene Partitur extrem entspannter, wie spontan entstandener Exkursionen, gar nicht modernistisch, gar nicht „sperrig“ oder wie auch immer schwer goutierbar. Nein, wohlüberlegtes Session-Gegniedel unter totaler Beherrschung von Instrumentarium und Technik setzt diese Kunststücke ins Werk. Nach dieser großmeisterlichen Gesamt-Ouvertüre folgen nur noch knappe Appendices, je etwa zwei Minuten lang, bis zum schwermütigen, sehnsuchtsvollen Ausklang „Along The Banks Of Rivers“, in dem eine lyrische Reinheit leuchtet, die kein Text leisten könnte. Eines niemals fragen: Was wollen uns die Musiker damit sagen? Wir haben es mit Erhabenem zu tun. Ist ohne Erklärung. Arne Willander

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