Scott Walker – Scott 1-4 :: Replays

Korrektur nach acht langen Jahren: 1992 wollte ein englischer Grafiker „Kunst“ machen. Resultat: Die vier Außenhüllen und Booklets der CD-Erstauflage erschienen monumental verhunzt, komplett unbrauchbar. Die 2000er-Reparatur gelang, alles ist lesbar, und sogar die Texte sämtlicher Walker/Engel-Eigenkompositionen sind jetzt enthalten – für immerhin 27 von insgesamt 47 Tracks.

Auch klanglich hat das Quartett einen deutlichen Schritt nach vorn gemacht, wenn auch nach wie vor (bei Kopfhörergebrauch) stellenweise Spuren von „Hintergrundstimmen“ hörbar sind.

Dem Wert dieser vier Prachtstücke schadet dies jedoch nicht 1967 gelang dem ehemaligen Walker Brother mit „Scott“ der Solo-Start. Statt plakativer Walkers-Melancholie favorisierte Engel nun Jacques-Brel-Material zwischen exaltierter Romantik („Mathilde“) und morbidem Lebensüberdruss („My Death“). Der Songschreiber Engel führte sich mit der Kolossal-Ballade „Montague Terrace“ und einem seiner anrührendsten Alltime-Classics, „Always Coming Back To You“, prächtig ein.

Dem Singles-Hasser Engel wurde alsdann das atemberaubende Jackie“ als 45er-Scheibe anbefohlen, die auch prompt zum Top-Hit geriet, obwohl bzw. weil bigotte Zensoren sie auf den Index gesetzt hatten. Als Opener zog das Brel-Furioso um Sex & Suff die LP „Scott 2“ bis an die Spitze der UK-Charts. Die Kollektion setzte den eingeschlagenen Weg fort: starke Eigenkompositionen wie das sozial engagierte „Plastic Palace People“ und „The Bridge“ ergänzten sich fugenlos mit Titeln von Henri Mancini („Wait Until Dark“), Burt Bacharach („Windows Of The World“) und Tim Hardin („Black Sheep Boy“) sowie weiteren Brel-Nummern.

Engel, längst genervt vom wachsenden Rummel um seine Person (und die nicht zu eliminierende Walkers-Vergangenheit), zog sich immer mehr zurück, galt nun offiziell als „schwierig“. Auf „Scott 3“ hatte dies noch keine negativen Auswirkungen. Weder kommerziell – wie für „Scott“ sprang Chart-Platz 3 heraus – noch inhaltlich: Engel mischte Eigenes mit Brel-Songs, die Auseinandersetzung mit den Arbeiten französischer Existenzialisten hinterließ immer deutlichere Text-Spuren in seinen selbstkomponierten Stücken. Im Frühjahr 1969 erhielt Engel eine eigene TV-Serie. Sie ersparte ihm lästig gewordene Konzerte, der Kontakt zum Publikum blieb so bestehen. Dennoch ein Rückschritt, denn die BBC schrieb ihrem Zuschauermagneten seichte Songkost vor, die obendrein als öde LP-Lusche erschien.

Scott, so verärgert wie deprimiert, revanchierte sich mit zehn eigenen Tracks, die als sein definitives Meisterwerk „Scott 4“ zu preisen sind: darunter „The Seventh Seal“ (nach Ingmar-Bergman-Motiven); das sarkastische „Hero Of The War“;“The OldM an’s Back Again (Dedicated To The Neo-Stalinist Regime)“ als kryptische Abrechnung mit den Vorgängen in Osteuropa – sämtlich Highlights, deren außergewöhnliche Qualität er selbst erst wieder 1978 im Rahmen einer Walker-Brodiers-Reunion erreichte („Shutout“, „Nite Flights“ und „The Electrician“).

Das Album geriet zum gigantischen Verkaufs-Flop, verschwand schnell wieder aus den Läden, landete nicht einmal in den Ramschkisten.

Der völlige Verzicht auf Bonus-Tracks schmerzt zumindest in einem Fall: „The Plague“, die geniale Single-B-Seite von , Jackie“, blieb außen vor, ist lediglich auf der ebenfalls neu gestalteten „Boy Child-Compilation zu haben. Eine Label-übergreifende Scott-Walker-Box sollte hier in naher Zukunft für willkommene Abhilfe sorgen.

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