Sexy Beast, Regie: Jonathan Glazer :: (Start 27.6.)

Ridley Scott und David Fincher haben mit Reklamespots angefangen und als Regisseure später einen unverwechselbaren Stil entwickelt. Ihre Nachfolger indes neigen heute meist zum Zitieren und Stilisieren von popkulturellen Versatzstücken. Daniel Lichtenstein hat es so bei „3000 Miles To Graceland“ übertrieben, Roy Andersson immerhin mit „Songs From The Second Floor“ ein kleines Kunstwerk montiert.

Der Brite Jonathan Glazer hat zuvor Videoclips gedreht, darunter für Massive Attack, Radiohead, Nick Cave und U.N.K.L.E., und in dem aktuellen Levi’s-Spot die digitalen Möglichkeiten ausgeschöpft. Wie ein Werbeplot beginnt auch sein schon vor zwei Jahren inszeniertes Kinodebüt „Sexy Beast“. Ein korpulenter Kerl mit Sonnenbrille und lächerlich knallgelber Badehose brutzelt reglos an einem Pool in der Sonne. Fraglos ein Prolet – behangen mit protzigem Silberschmuck -> der in Gedanken stöhnend über die verdammte spanische Scheißhitze flucht. Als er mühselig aufsteht und an den Beckenrand torkelt, kracht plötzlich ein riesiger Felsbrocken den Abhang herunter, knapp über seinen Kopf hinweg und ins Wasser, wo er die pinkfarbenen Kacheln eines kitschigen Doppelherzens am Boden zertrümmert.

Der Steinschlag ist keine losgelöste Pointe, sondern der Auftakt zu einem Thriller, in dem Glazer mit trokkenem Humor und verschwitzter psychologischer Brutalität die Tradition britischer Gangsterfilme wie „Get Carter“ variiert Felsen und Pool sind dabei unheilvolle Zeichen, die mehrmals noch und auch in anderer Form auftauchen werden und wie viele weitere Motive die Dualität der Story symbolisieren. Der Titel „Sexy Beast“ etwa ist ein ironisches Synonym für die Badehose, meint jedoch auch die Angst erregende Aura eines sich ankündigenden Mannes.

Gal Dove (Ray Winstone) heißt der Typ am Pool, ein alternder Safeknacker, der sich nach einem Knastaufenthalt in einer Finca zur Ruhe gesetzt hat. Mit Ehefrau Deedee (Amanda Redman), einer ehemaligen Pornoakteurin mit einer Narbe im Gesicht, seinem alten Kumpel Aitch (Cavan Kendali) und dessen verblühter blonden Lebensgefährtin Jackie (Julianne White) genießt er die Langeweile bei Grillabenden und mit Fragen, ob er im Restaurant nun die Calamares essen soll oder nicht. Dann erfahrt er von einem geplanten Einbruch in eine Londoner Bank, bei dem er mitmachen soll. Um ihn nachdrücklich zu überzeugen, reist der Organisator Don Logan persönlich an. Bereits sein Name löst entsetzte Stille aus.

Ben Kingsley verkörpert tätowiert, tumb und tollwütig in verkrampfter Haltung diesen Milieupsychopathen, wofür er im vergangenen Jahr für den Oscar nominiert war. Gal lehnt das Angebot, das eine Aufforderung ist, dennoch ab, was Logan nicht akzeptiert. So kommt es zu einem brillant-bizarren DuelL das fast nur aus betretenem Schweigen, besänftigendem Smalltalk und Kingsleys eruptivem Schwall an Schimpfworten besteht, die er ständig wiederholt. Diese angespannte Pingpong-Rhetorik löst dann einen Knall aus, der ein weiteres, verschachteltes Szenario eröffnet. Eine Genrevirtuosität, die allerdings nicht beantwortet, ob Glazer es danach so weit bringt wie Scott und Fincher. 4,0

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