Short cuts
Richard Davies – Barbarians (Kindercore/Import)
Dritte exquisite Solo-LP des nach Boston, Massachusetts ausgewanderten Australiers, nicht so Beach Boys-verspielt wie „There’s Never Been A Crowd Like This“ und nicht halb so akribisch ausgefeilt wie „Telegraph“. Direkter und etwas unverblümter sind die neuen Weisen, teils akustisch verhübscht, zum anderen Teil im Griff sehniger, gelenkiger E-Gitarren. Quasi-live, aufgenommen und abgemischt in nur vier Tagen. In den Texten mischen sich freigeistige Tugenden und nomadische Träume mit müdem Spott und einer Spur Paranoia über die profanen Bedürfnisse der Neuzeit: „Computer paper, that’s what they want“ Die Welt, so der Tenor von „Barbarians“, war ein besserer Ort, bevor sie verseucht wurde vom Virus Mobiltelefon. 4,0
John Fahey – Hitomi (Livhouse/Import)
Der Virtuose des Saiten-Primitivismus hat seine Fans in den letzten Jahren mehr als einmal auf schwere Proben gestellt. Etwa mit dem entgrenzten Impressionismus seiner Doppel-10inch „Morning/Evening, Not Night“ auf Perfect Records. Oder mit den auf diversen Formaten zugänglich gemachten Feedback-Exzessen, neben denen sich Onkel Neils „Weld“ ausnimmt wie John Denvers „Greatest Hits“. „Hitomi“ ist fraglos substanzieller und elementarer. Fahey verzichtet auch hier nicht auf drakonische Maßnahmen wie Distortion und Orgel-Rallyes, Loops und seine aktuelle Lieblings-Marter, das digitale Delay. Dazwischen aber finden sich Momente dunkler, verwegener Schönheit, wo Delta-Blues zu Slide-Gelee gerinnt, über das Fahey bittersüße Akkorde träufelt 3,5
Ben Sidran – The Concert For Garcia Lorca (Go/Jazz/Sunny Moon)
Dem Rock-Enthusiasten ist der studierte Musiker und Philosoph Sidran sicher eher bekannt als Sidekick von Steve Miller, doch war und ist der Pianist eigentlich im Jazz zu Hause. Diese Hommage an den von Faschisten ermordeten spanischen Poeten und Gelehrten Lorca folgt dessen Lebensgeschichte in Worten und Tönen aus Klavier, Saxofon, Bass und Drums. Ein Dialog in Moll und kluger, welterfahrener Lyrik. 3,5
The Great Crusades – Damaged Goods (Glitterhause/TIS)
Rock aus Chicago, der Gesang guttural und Bob-Seger-inspiriert, die Musik ein Mainstream, in den Folk, Blues und Country münden, die Produktion rund und radiotauglich, die Songs dagegen eher schattig als schmuck. Könnten groß abräumen im Vorprogramm vom Boss. 2,5
Diesel Park West – Thought For Food (Hyptertension/Edel Contraire)
UK-Rock, nicht ohne US-Einflüsse. Diesel Park West, seit zwölf Jahren bereits auf jenem Mittelweg zugange, der in den seltensten Fällen ein goldener ist, bleiben sich treu: instrumental beschlagen, gesanglich beherzt, klanglich bemüht, songtechnisch bescheiden. Wiewohl, das sei nicht verschwiegen, die Opulenz des Satzgesangs in Verbindung mit den besseren Melodien manchmal stattliche Aufnahmen zeitigt. 2,5
The Empire Freak Shop (Strich Elf)
Das Dankeschön an Black Heart Procession auf dem Cover möge nicht zu der kurzschlüssigen Annahme führen, das Quartett aus Kiel und Hamburg bewege sich auf seiner Debüt-LP im musikalischen Fahrwasser der Düstermänner aus San Diego. Vielmehr birgt die LP (Vinyl only!) elf energetische Übungen in der unzeitgemäßen Disziplin 80er-College-Rock, mal schrammelig-naiv, mal laut-aggressiv und auch mal britpoppig-beschwingt. 2,5
Lota Red – Close To The Sun (Crazy Love)
Swingender Rockabilly, Fifties-Pop, Instrumental-Beat und mal trabende, mal galoppierende Western-Balladen vom Quintett aus Berlin. Jack Scott klingt an und Bob Luman, aber auch die twangigeren Westcoast-Outfits von heute. Dave Alvin als Produzent könnte hier Wunder wirken, die Musikalität indes reicht reichlich. 3,0
Lewis Taylor – Lewis II (Universal)
Rhythm & Blues und Soft Soul, Funk und lockere Grooves von einem, dem der Begriff „Retro“ anhaftet wie ein Kainsmal. Was schon deshalb blödsinnig ist, weil dieses Unwort keinerlei definitorischen Wert besitzt (und somit jeden, der es benutzt disqualifiziert). Aber Lewis Taylors betörende Mixtur aus Marvin Gaye, Art-Pop und orchestrierten Elegien mit dem R-Wort zu belegen, grenzt ans Absurde. Es sei denn, man wollte Wah-Wah-Gitarren, Phat-Beats und epische, ja operatische Soul-Balladen nur einer Ära, einer verflossenen nämlich, zugestehen. 3,5
Morgan – Orqanized (Source/Virgin)
Morgans Dad hat in den Sixties (sehr passable) Platten für Track und Immediate gemacht, Morgans Mom besuchte die Kunstschule mit Pete Townshend. Onkel Pete vermachte ihm seine treue, bei zahllosen Who-Gigs malträtierte Hammond-Orgel, und auf „Organized“ beweist der Youngster nun, dass der alte Kasten noch zünftig wummert. Und dass es eine Menge Wiederverwertbares zu finden gibt auf alten, angestaubten Scheiben. Die Small Faces klingen an, Paul Weller und lässige Lounge Music. Auf seine Hammond muss Morgan derzeit allerdings verzichten. Sie ist auf Tour mit The Who.3,0
Greyhound Soul – Freaks (Music Network/Line)
Anständiger Roots-Rock aus Tucson, Arizona. „The sound of the desert is at the center of Greyhound Soul“, befindet Nachbar Howe Gelb. Nicht im Sinne twangiger Calexico-Soundscapes indes. Gelbs These wird in Songs wie »Big Shot“ und „Contract“ verifiziert, in Joey Penas Schmirgelpapierstimme, die der des jungen Calvin Russell ähnelt 3,0
Knorkator – Tribute to uns selbst (Mercury)
Klamauk-Pomp mit Ekel-Garantie: „Die meiste Scheiße der Welt“. Soll lustig sein. Wozu uns nur noch Mark Twain einfällt: „German jokes are no laughing matter.“