Short Cuts von Oliver Hüttmann
Spiritual Warriors – Spiritual Warriors (quiet force/zomba)
Ming aka Roey Marquise ü. aus Frankfurt ist das Ohr, der schwarze New Yorker Rapper Matrix die Stimme, der Japaner Germ das Auge. Zusammen bilden sie eine Fantasy-Dreieinigkeit aus Marvel-Superhelden und Manga-Spiritualität Ihre Comic-Legende, illustriert im Boooklet, setzen sie versiert wie einen Soundtrack um mit präzisen Beats ’n’Rhymes, apokalyptischen Syntnesizern, behenden Bässen und meditativen Melodien. Spooky stuff! 3,5
U-God – Golden Arms Redemption (Wu-Tang)
Nun schwingt auch der letzte Samurai aus dem Clan der mächtigen Wu-Tang solo sein Schwert – und erweist sich als kompakter Klangschmied und zupackender Vokalfechter. Dem übersättigten Reich der 36 Kammern verhilft er aber auch nicht zu alter Blüte. 3,0
Microphone Mafia – Microphonia (Chlodweg Music)
Mit Fanfaren schreitet das türkisch-italienische Quartett aus Köln in die Hip-Hop-Arena und setzt zu Bollerbässen opulente Klassik-Klänge ein wie bei orchestralen Filmscores. Gelungene Dramatik, jedoch wenig variabel. Und während Moses P ihnen ein Sample gestattete, verbat ihnen Niedecken eine Rap-Version von „Verdamp lang her“. 2,5
Diverse – Sauerkraut, nicht Sushi (Lage d’Or)
Hamburgs Pop-Rhetoriker feiern mit einer Doppel-Compilation ihre heimlichen Hits, die wieder mal zu wenige hören wollten.“ Sauerkraut“ überblickt mit 23 Singles von Tocotronic und Fink bis zum Tilman Rossmy Quartett die letzten zweiJahre, „Nicht Sushi“ enthält rare Remixe, bei denen unter anderen Whirlpool Productions und Fischmob/ Erobique vor allem Die Sterne, Stella und Tocotronic interpretieren. 3,5
Diverse – Four Elements (Four music/sony)
Auch das F4-Label zelebriert sich mit einer Compilation. Die schmucke Jahrgangsausgabe zieren Scrabble-Steine auf einem Globus im Michelangelo-Stil. Zu hören sind Hits („Reimemonster“, „MfG“), diverse Versionen und Kooperationen hauseigener Künstler sowie sechs neue Exklusiv-Titel, darunter von Max & Afrob und Thomas D. 3,5
Guildo Horn – Schön (EMI)
Täglich erzählt „Bild aus den letzten tragischen Tagen von Rex Gildo. Das selbe Organ für leicht erregbare Gemüter hatte mit dialektischem Wahnwitz („Darf dieser Mann für Deutschland singen?“) den Trierer Volksmusikanten Guildo Hörn zum Aufstieg ab verschwitzt-gewitzte Rampensau verholfen. Seither beschäftigt der „Kreuzritter der Zärtlichkeit“, der wie der Provinz-Potentat Ernst August schon auf Paparazzi eingeprügelt hat, vor allem meckernde Schlaumeier und deutelnde Soziologen. Nach Motörheads Lemmy Kilminster ist mit diesem schwabbelbäuchigen Glöckner ein Star wieder so hässlich wie sein Publikum. „Schön „nennt er sein Album, als führe ihm „Bild“ perfide die Feder. Der Erfolg als Antithese macht diese nuschelnde Nussecke zum bevorzugten Gast bei „Stern TV“, dem Magazin für Alltagssensationen, und Harald Schmidt, dem Mann für Alltagsburlesken. Um Musik geht es natürlich wenig. „Berlin“ heißt ranschmeißerisch seine Single, die den Grand-Prix-Betträgen „Reise nach Jerusalem“ und „Dschingis Khan“ seines Erzfeindes Ralph Siegel nachempfunden ist. Mit beharrlicher Biederkeit rockt er den „Frisörsalon“, bringt erschütternd Nenas „Leuchtturm“ zum Einsturz und weder Witz noch Schmelz auf. Die Wiederkehr des Schlagers als schenkelklopfender Zombiezirkus hätte Gildo umgebracht, klagen Kollegen. Guildo wird höchstens irgendwann von TV-Kulissen fallen – und Geschmacksverwirrten die Bewertung auf der Trash-Skala als Höchstnote gelten. 1,0
Ming – Miso Mix (DOXA)
Ein Sound wie eine defekte Spieldose: Die Belgier verwenden neben elektronischem Equipment auch elektrische Geräte, analoge Effekte und das Fiepen von Spielautomaten der frühen 80er Jahre. Dort ist auch ihr wunderbar naiver, wippender Chanson-Plastik-Pop einzuordnen wie „Hato No Chushin“ mit einem betörenden Mädchenträllern. 3,0
Kühl & Sauer – Kühl & Sauer (Tonträger)
Das Duo entwirft schlaufenartig dunkel-verzerrten, jazzrockigen Minimalismus und Gitarrennoise mit sonderlichdadaistischen Text-Fragmenten wie „Es ist kein Fluss, es ist kein See, es ist das Meer“. Die Wirkung entspricht tatsächlich kühlen Sauren, die in Absturzkneipen ausgeschenkt werden. 2,5
The Dust Brothers – Fight Club Soundtrack (arista/bmg)
Zuletzt produzierten die beiden Briten das Album der Rolling Stones, die ganz gewiss nicht an ihrem Mannsbild zweifeln. Für die finnische Schocktherapie von David Fincfaer über einen Neurotiker auf einer abgründigen Identitäts-Odyssee zwischen Konsumterror und Konformitätszwängen haben sie einen bizarren und beinharten original score komponiert. Schnarrende, scheppernde Sounds zerren schleichend in den Wahnsinn, Drum’n’Bass und Big Beats bohren sich in die Eingeweide, während leiernde Orgelmelodien von der Sehnsucht nach Erlösung künden. 4,0
The Blair Witch Project – Soundtrack (Artisan/Gold Circle)
Musik gibt es keine in diesem Mystery-Horrorfilm, nur einige Soundfetzen, als die drei Studenten mit dem Auto in den verwunschenen Wald fahren und dann darin umkommen. Aber weil die Pseudodokumentation eine raffinierte Authentizität vorgaukelt, wird diese Platte in die fiktive, ausufernde Mythologie eingebunden: Die Stücke stammen von einer Kassette, die im Wagen gefunden worden sei. Gespenstisch-desperate Songs von Skinny Puppy, Public Image Ltd, Bauhaus, Laibach, Type O Negative, den Afghan Whigs führen kongenial die Atmosphäre des Films fort. Very scary. Lydia Lunch wispert eine skelettierte Version vom todessehnsüchtigen „Gloomy Sunday“. 3,5
MajuBiese – Spiegelbilder (Tribehouse/virgin)
Als Armer Ritter hatte der Sauerländer einst mit Dendemann begonnen. Nun debütiert der Rapper als einfallsreicher Solist mit trockenen Beats und feinen Melodienschlaufen. „Millennium“ feat Zentrifugal ist einer der schönsten Beiträge zu dieser leidigen Hybris. 3,0