Short Cuts von Wolfgang Doebeling
Speedboat – Satalite Girl (Shoeshine)
Ist es das Wasser, die Luft, das Dingle-Dangle unterm Kilt? Woher genau die Schotten ihre beträchtlichen Pop-Sensibilitäten beziehen und ihre ausgeprägte Vorliebe für Jinglejangle-Beat, ist ein Mysterium. Fakt ist, daß allein in Glasgow mehr Powerpop-Potenz waltet als auf dem gesamten europäischen Festland. Skandinavien ausgenommen. Muß etwas Nordisches sein, der Hang zu formatiertem, hochmelodischem Saitengeklingel. Speedboat, bisher nur in Singles-Rennen angetreten, verstehen sich auf Tunes mit edelbitterem Nachgeschmack. Und holen sich die Ingredienzen dafür bei den üblichen Verdächtigen: „The Hurtin‘ Kind“ evoziert Nick Lowe und „On The Run“ beleiht die Bluetones. Doch können die Jungs auch anders. Das Elvis-Cover „Change Of Habit“ beginnt mit lindem Soul-Funk, endet aber in einem mittelschweren Gitarengewitter. Vorgestrigcharmant sind die Texte. „You like the Stones/ Me, I dig the Faces“, versinnbildlicht der Sänger in „Tidal Wave“ brutal die schiere Sinnlosigkeit einer zwischenmenschlichen Beziehung. So wenig Hoffnung war nie. 3,5
Sixpence None The Richer (EAST/WEST )
Schamlos pop vernarrt und von geradezu offensiver Belanglosigkeit ist der dritte Longplayer eines US-Quintetts mit UK-Moniker, das sich in Austin, Texas gefunden hat lexanisch ist freilich nichts an dieser von Bob Clearmountain in gewohnter Transparenz und ohne jede Dichte und Dringlichkeit produzierten musikalischen Marginalie. Leigh Nash singt fraglos hübsch, doch hat ihre Stimme eine gewisse Natalie-Merchant-Qualität, will sagen: Sie nagt an den Nervenenden. Unauffällig bis zur Anonymität hingegen sind die Instrumente verblendet Akkordeon, Steel-Guhar und Celli werden aufs Klanggemälde nicht gepinselt, sondern im Airbrush-Verfabren flächig verteilt Momentan feiert die Band mit „Kiss Me“ einen Hit Danach wird sie erfolgreich auf Tour gehen, nach dem ersten Flop ihren Namen auf Sixpence verkürzen und, ratzfatz, ihre finale Bestimmung finden. Als Fußnote in Rocklexika. Fragen Sie die Crash Test Dummies. 2,0
Eugene Ruffolo – Fool For Every Season (Inakustik)
Noch einer, der gern lau badet Ruffolo hat mit der ultrafaden Jazzrock-Formation Spyro Gyra musiziert und mit Mary Chapin Carpenter. Den Titelsong harmonisiert er mit Marc Cohn. Womit das Koordinatenkreuz steht Senkrecht: Singer-Songwriter, waagerecht: New Age. Viril, aber sensibel. „They were two shipwrecked lovers/ Full of promise and of heart/ But each morning they awoke/ Just a litde more apart“ Ein Klotz, wem da kein Kloß im Halse steckenbleibt Frauenplatte. 1,5
Barb Donovan – Angelina (normal)
Barb Donovan für ein scheues Reh zu halten, nur weil sie verhalten singt und ihre Lyrik frei ist von Exaltationen, wäre ein Fehler. Hinter dem Folk-verhuschten Fingerpicking und der beherrschten Phrasierung pulsiert es. Es ist jener langsame, aber kräftige Puls der amerikanischen Kleinstadt, der in die Adern dieser Songs gedrückt wird, bis hinein in die Kapillaren der Instrumentation. Beth Galigers mehr gehauchte als geblasene Flöte in „Restless Soul“ etwa oder Larry Wilsons filigran-schnarrende Blues-Figuren in „Leave A Light On“. Kapriziös wird es nie, auch wenn Barb Donovan die leisen Töne bevorzugt und die Helden ihrer Geschichten auf ganz unspektakuläre Weise sehnen, bangen, verzagen und scheitern läßt Auch die Wahl ihrer Stilmittel verrät Sicherheit Ein langsamer Walzertakt, ein kreischendes Saxophon, akustische Riffe, ein Multitrack-Duett mit sich selbst Und eines mit Townes Van Zandt, mit dem sie befreundet war. Sehr hörenswert.
3,5
Shanley Del – My Own Sweet Time (BMG)
Die schöne Shanley konnte für ihr zweites Album auf Könner wie Kieran Kane, Duane Jarvis und Kevin Welch zurückgreifen. Die Dead Reckoners rocken galant, und die Del nutzt die Gunst der Stunde. Gekonnt, wie sich ihre ausdrucksstarke Stimme an die Songs schmiegt, am wissendsten in Rodney Crowells „Shame On The Moon“: „Once inside a woman’s heart/ A man must keep his head.“ Klingt, aus dem Munde einer Frau, wie eine Drohung. Sollte man also ernstnehmen. Country light, aber fein. 3,0
Maria Muldaur – Meet Me Where They Play The Blues (Telarc)
Nach Ex-Gatte Geoff tritt nun auch Maria Muldaur nach längerer Abstinenz wieder ins Rampenlicht Verlernt hat sie nichts, nur ihr Pop-Appeal hat wohl etwas Patina angesetzt Wäre hier auch überflüssig, denn die geschmackssichere Melange aus Lounge-Jazz und sophisticated Blues lebt von anderen Substanzen: Musikalität und Erfahrung. Von beidem hat Maria mehr als genug. Der legendäre Charles Brown, ein trauriger Bonus, performiert hier leider zum letzten Mal. 3,0
The Paladins – Slippin‘ In (RUF)
Ihr Rockabilly ist Rhythm & Blueskontaminiert, Chicano-infiziert und überhaupt recht fiebrig. Das mag daran liegen, daß die Paladins in San Diego zu Hause sind und die dort von jeher farbigere Billy-Palette bevorzugen. Was beileibe nicht heißt, daß der energetische Mix des Trios beliebig wäre. Egal, ob sie den Everly Brothers nacheifern („The Hard Way“), eine Novelty-Nonsense-Ballade bosseln („Five Minute Love Affair“), satten Western-Twang paradieren („Streng Boy“) oder die WeÜe eines Surf-Instrumentais reiten („Return To Polara“), stets gilt die Devise: thefifties rufe! Keine Einwände. Also: Keep on boppin ‚ cats & kittens. 4,0
Dover Devil – Came To Me (Intercord)
Rock, stinknormal und stockatholisch. Aber verkäuflich. In Spanien. Jesus‘ bible/ Bible’s Jesus/ Lot of carrots/ Carrot recese“ radebrecht Christina Llanos. Lauter Orakel, in Worten, die kein Wörterbuch kennt. Doch wer fragt nach Sinn in einem Land, wo man zur Volksbelustigung so lange Metall in Tiere bohrt, bis sie endlich verbluten? „I don’t need death“, kräht Christina. Kommt uns spanisch vor. 1,0