Short Cuts von Wolfgang Doebeling
FORMIDABEL
Wie eine Ewigkeit scheint es, seit Amy Boone und Deborah Kelly in Austin, Texas, auf den Plan traten und dort mit herben Songs und süßen Harmonies als The Damnations so manchen Kopf verdrehten. Zuerst fanden sie kein Label, dann zogen sich die Sessions dahin, dann geriet Watermelon Records ins Schlingern, und zuguterletzt mußten sie auch noch ihren Namen ändern, weil eine Band an der Westküste ältere Rechte daran geltend machen konnte. Jetzt nennen sich die rootsrockenden Grazien und ihre männlichen Mitmusiker THE DAMNATIONS TX, und ihr Album „Half Mad Moon“(Sire/via Glitterhouse) hat die schwere Geburt gut überstanden. John Croslins Produktion mag ein wenig zu sehr auf Transparenz setzen, wo Kompaktheit einen direkteren Zugang zum Herzen ermöglicht hätte. Ein Vergleich mit dem Rough Mix belegt das recht eindrucksvoll. Doch der durchdefinierte Sound hat Vorteile: Auch das kleinste Schnarren des Banjos wird hörbar, die Snare knallt, und die Stimmen sind von kristalliner Klarheit. Was für hübschen Kontrast sorgt, vor allem bei den besseren, bissigeren Songs. Auf „Spit And Tears“ etwa, einer Ode auf des Menschen besten Freund, der alle Höhen und Höllen seines Frauchens mit durchleidet: „Out on die porch you can hear him howling.“
Auf dem Papier klingt es nicht gerade vielversprechend: weißer Ostküsten-Folkie mit heller Stimme und Hang zum Ornamentalischen nimmt sich der Songs eines der größten Songwriter des Blues an. Was BILL MORRISSEY dann aber auf „Songs Of Mississippi John Hurt“ (Philo/Rounder) zu Gehör bringt, setzt sich mühelos über alle Bedenken hinweg und funktioniert, weil erstens Morrisseys Interpretationen erfreulich spartanisch ausfallen. Und weil zweitens Hurts so lyrische wie rustikale Songs ohnehin an der Schnittstelle zwischen Blues und Folk stattfinden. Das gut insbesondere für seine frühen, sehr düsteren Poeme, die bereits Ende der 20er Jahre veröffentlicht wurden, bevor sich Hurt mal eben für drei Jahrzehnte ins Private nach Avalon zurückzog, um erst in den Sixties „wiederentdeckt“ zu werden. Interessant daß Morrissey die bekanntesten Songs des Meisters meidet Statt „Candy Man“, „Sliding Delta“ oder „Pay Day“ nimmt sich der stets dünn singende Barde einiger marginalerer Hurt-Kompositionen an wie „Big Leg Blues“ oder „Shake That Thing“, die von Morrisseys lindem Swing indes profitieren. Schön die Trompete von Jamil Sarif, songdienlich auch die Harmonika von Cormac McCarthy.
AKZEPTABEL
Nicht ganz den hohen Erwartungen wird „Mac, Doc & Del“ (Sugar Hill/Fenn) gerecht, ein wohl einmaliges Projekt dreier Pioniere (nicht nur) des Bluegrass: DEL MCCOURY. DOC WATSON & RUC WISEMAN. Natürlich spielen die Herren fehlerfrei, harmonisieren ergötzlich und hatten offenbar eine Menge Spaß bei den historischen Sessions, doch klingt vieles allzusehr einstudiert und perfektioniert. Der Galopp ist gestreckt, aber halsbrecherisch ist keiner dieser Tracks. So fest sitzen die Legenden im Sattel, daß sie klingen wie festgezurrt. Auch Alison Krauss, die Diva des modernen Bluegrass, addiert nur eine adrett sitzende vierte Stimme. Was fehlt, ist Überschwang.
Dasselbe muß auch als chronisches Defizit von CPR konstatiert werden. David Crosby, Jeff Pevar und James Raymond hätten Mitte der Siebziger Jahre sicher eine Marktlücke geschlossen zwischen geschniegeltem Country Rock und gebügeltem Westcoast-Folk. Heute, zwei Live-Doppel-Alben machen das deutlich, entwaffnen sie mit ihrer gekonnten Mixtur aus Marshmellow-Harmonies und elegischem, gefälligem California-Rock nur diejenigen von uns, die schon damals anfällig waren fürs Gediegene. „Live At Cuesta College“ ist weitgehend akustisch und nicht ohne Höhepunkte. „For Free“ etwa aus der Feder von Joni Mitchell, die Crosby als „greatest songwriter of our time“ rühmt Als „one of the best singers in die world“ wird dann freilich „Live At The Wiltern „(beide CPRA Glitterhouse) allen Ernstes ein Mann angekündigt, der sich wie kein anderer um die Fließbandproduktion im Pop verdient gemacht hat: Phil Collins. Dazu gibt’s Graham Nash, Marc Conn und einen Jeff Pevar in Dudel-Laune. Nein, danke.
Nicht weniger unverwüstlich als Gevatter Crosby ist KEVIN COYNE, auch wenn der britische Grander sein Heil nie in der Perfektion fand, weil er es in anderen Gefilden suchte. Im Jazz, im Blues, in verschrobenen Songgebilden, als maßgebliches Mitglied von Siren und am sinnfälligsten solo. „Sugar Candy Taxi“(Ruf) ist nach edichen auch musikalischen Exkursionen „a return to roots“, wie Coyne in den Linernotes schreibt. Seine Texte sind wie gehabt bärbeißig und in Sarkasmus getränkt „I love the human race“ singt er ähnlich Randy Newtnans Rabengott am Ende von „Happy Little Fat Man“, und das Gefährt des Titelsongs befindet sich auf der abschüssigen Bahn einer „highway to hell“. Die Musik dazu ist oft kongenial, zuweilen aber auch allzu monoton oder einfach larifari. Tom-Waits-Fans mit einer Ader fürs Exzentrische müßten ihre Freude daran haben.
Wer sich noch mit Freude an „Suspect Device“ erinnern kann, wird unfähig sein, Groll zu hegen gegen die STIFT LITTLE FINGERS, auch wenn „Hope Street“ (EMI) eine fast hoffnungslose ödnis umreißt Bruce Foxton, einst bei der Mod-Combo The Jam, zupft mittlerweile den Baß für die noch immer zornigen Ulster-Punks, doch gemahnt ihr Gitarrenlärm inzwischen weniger an Spätsiebziger-Aufbruch als an Frühsiebziger-Abgesang. Die Refrains sitzen, die Riffs rotzen, aber ansonsten schwurbeln und bombastein die Gitarren like punk never happened.
INDISKUTABEL
Nichts ist schlecht am nach der Künstlerin benannten Debütalbum von PAULINE TAYLOR (Cheeky/-Intercord), nichts ist von Belang. Ein Triumph der Mittelmäßigkeit, könnte man urteilen, wenn denn überhaupt etwas hängen bliebe von diesem überaus höflichen Mix aus sedativem Soul und netten Balladen. Wie eine Tracy Chaptnan ohne Kehligkeit und Credo, die Lyrik lasch, die Musik ohne Charakter.
Schon wenn RICK WAKHUN als Solist in die Tasten greift, beginnen unweigerlich kolossalische Kostümschinken vor dem geistigen Auge zu flimmern. Für „Return To The Center Of The Earth“(EML) durfte der Rock-Symphoniker gut fünf Millionen Mark verjubeln. Zu den Begünstigten zählen Ozzy Osbourne und Bonnie Tyler. Kraß.