SHORT CUTS :: VON WOLFGANG DOEBEUNG
FORMIDABEL
Rockabilly ist in erster Linie Live-Musik, wild und doch melodsich gezügelt, und keine Band bewies das in den letzten Jahren so eindrucksvoll und so erfolgreich wie HIGH NOON. Jetzt gibt esmit“LiVein Texas Andjapan“ (CD auf Watermelon, Vinyl auf Goofin‘) endlich eine Konserve von Auftritten des Trios, 20 schnelle, knappe Songs, stilechte Originale neben Klassikern von George Jones und Tex Rubinowitz. Nur die Zugabe setzt auf Nostalgie: „Mona Lisa“ kursierte in konkurrierenden Versionen von Carl Mann und Conway Twitty bereits im Sommer 1959 durch die Charts.
„Roy Orbison trifft Orbital“, wird GREG GARING von seinem Label angepriesen. Klingt wie Obstkuchen mit Oregano, wie hingequälter, gequirlter Crossover-Mist. Ein Trugschluß. Okay. ,^4fone“(Paladin/BMG) hat ein paar Tracks, auf denen die Synthetisierung rootsiger Traditionsmusik platt wirkt, weil äußerlich und übereifrig im Vermengen von Mandolinen und modischer Elektronik. Doch sind da auch erhabene Momente, wo Loops und Banjos auf wundersame Weise verschmelzen zu einer homogenen, tripfolkigen Melange. Und zwei große Songs: „Dream Too Real To Hold“ sowie „Where The Bluegrass Grows“, eine Ode an Bill Monroe, die Garing gemeinsam mit Peter Rowan schrieb. Der war mal einer von Monroes Blue Grass Boys und ist ein integrer Mann. Das färbt natürlich ab.
AKZEPTABEL
JOAN BAEZ hat ein Dutzend bessere Alben aufgenommen, aber auch zwei Dutzend schwächere als „Gone Front Danger“ (Grapevine/Intercord). Das sparsame, halbakustische Backing kommt den ruhigen, unaufgeregten Songs entgegen. Dan Dugmore stellt seine Pedal Steel auf feinsinnig, Wilüe Weeks zupft seinen Baß eher zart, und die Arrangements sind besinnlich. Die Nachwuchs-Songstress Dar Wüliamssteuert zwei Lieder beijoan Baez selbst kein einziges. Schade eigentlich, denn die Klasse etwa von ,J)iamonds &Rust“ erreicht hier kein Song. Worauf Joan Baez ebenso verzichtet, Halleluja, sind exaltiertes Jubilieren und lehrstückhafte Texte. Feine Platte. Country-Rock aus Niedersachsen: THE HITCHIN POST haben bereits zwei Longplayer veröffentlicht, doch ist „The Ballad Of Cal&Cubi“ (Glitterhouse) ihre bislang gediegenste, solideste Arbeit Nachempfunden natürlich, aber aufs Angenehmste. Was der Aussprache an Authentizität abgeht, wird durch Liebe zum Material wettgemacht, zum eigenen zumal, während die Cover-Versionen, insbesondere Neil Youngs „Too Far Gone“, etwas bludeer daherkommen.
„TripPop featuring Gene Ween“, proklamiert der Sticker auf dem LP-Cover, doch hält sich der Einfluß des Berufs-Ironikers dankenswerterweise in engen Grenzen: PROJECT POLLEN aus New York machen auf ihrem gleichnamigen Debüt-Album (Sideburn/EFA) hochmelodischen, flüssigen und ideenreichen Dance-Pop mit jazzigen Obertönen und britischem Understatement Bis auf „Maria“, ein fadenscheiniger, spaßig gemeinter Latino-Aufguß, featuring Aaron Freeman aka Gene Ween.
THE LAZY COWGIRLS sind Veteranen der Punk-Trash-Szene und ihre neue, von der Semi-Legende Earle Mankey adäquat roh produzierte LP „A Little Sex And Death“ (Crypt/EFA) legt den Verdacht nahe, daß sie uns noch eine Weile erhalten bleiben. Bands mit brachialer Energie dieser Sorte lösen sich nicht sang- und klanglos auf, sie explodieren. Irgendwann. Wenn nur die Songs etwas mehr wären als funktional.
THE RAMONES waren die Überväter dieser 1-2-3-4-Turbopop-Fraktion, sie hatten die Songs, debil und sinister, aber nun sind sie nicht mehr. „The Last Show -All Access“ (Eagle) ist ebendas: ein Farewell-Gig mit hundert Hits und würdigen wie fragwürdigen Special Guests. Lemmy! Dee Dee! Eddie Vedder!? Danke, Brudders. It wasfun while it lasted. Gabba Gabba Bye!
Vom Funk-Punk zum Fun Ska: Zurückgekehrt aus dem Reich der untoten Rüde Boys und Skinheads BAD MANNERS, nicht eben verwunderlich nach dem durchschlagenden Erfolg von No Doubt und Sublime. „Don’t Knock The Baldhead“ (Pork Pie/EFA) ist eine erfreulich abwechslungsreiche Mixtur aus reinen Stimmungsnummern wie dem bei Johnny & The Hurricanes abgekupferten „Red River Ska“ und so klugen Adaptionen wie „Randy Scouse Git“, älteren Lesern in guter Erinnerung als Mon-kees-B-Seite. Richtig dämlich ist allein „Lager Delirium“, das dem Titel vollauf gerecht wird.
On-U Sound-Meister Adrian Sherwood hat „Vanishing Point“ von PRIMAL SCREAM durch den Dub-Wolf gedreht und aus den Überbleibseln JZcho De£“(Creation/Sony) gebastelt Absurd eigentlich, war doch bereits die Vorlage Dub-lastig. So ist vieles nur marginal interessant und oft genug predictable, etwa das obligate Toasting von Prince Far-I (Haue Selassie, my ass) oder die omnipräsente Rhythmus-Maschine. Star von „Star“ ist jetzt die Melodika, Bobby Gillespie wird nicht mehr gebraucht. Übrigens auch erhältlich als 7″ Singles-Box.
Freundlicher noch und unverbindlicher als früher plätschert der urbritische Folk Rock der OYSTER-BAND auf „Deep Dark Ocean“ (Cooking Vinyl) dahin. Drei, vier Songs sind recht flott und durchaus hörenswert, der Rest hat das Abenteuer einer Pauschalreise zur Isle Of Man und den Tiefgang von Fool’s Garden.
MISERABEL
Perry Farrell war jahrelang Leithammel des amerikanischen Alternative Rock, zuerst mit JANE’S ADDICTION, dann mit Porno For Pyros. Mh „Kettle Whistle“ (WEA) läßt er nun mithilfe diverser Chili Peppers seine alte Band wieder auferstehen. Ein paar Live-Tracks vermitteln eine leise Ahnung von Intensität, die neuen Studio-Cuts indes sind pompöser, gruseliger Rock-Kitsch für die Kids in Orange, New Jersey.
Nicht weit von dort, im schönen Maryland, originiert der Kraut- und Rüben-Country von SONS AND DAUGHTERS, einem sechsköpfigen Familien-Clan, dessen Erstlingswerk ,^4cross The Great Divide“ (Linen/RCA) zwei Superstars des Showbiz gewidmet ist: Gott und Garth.