Sir Douglas Quintet – The Complete Mercury Masters :: Die Mercury-Aufnahmen von Doug Sahms Americana-Band

Am Ende sprang man auch bei Mercury Records auf den fast abgefahrenen Zug auf, um von dem ganzen Hype um den San- Francisco-Sound auch ein wenig zu profitieren. Mit Blue Cheer und „Vincebus Eruptum“ hatte man eine kleine Weile die „lauteste Rock-Band der Welt“ unter Vertrag. Von Chuck Berry machte man – die Steve Miller Band bei dem Auftritt die Begleiter — eilends einen Live-Mitschnitt in Bill Grahams Fillmore West. Für die ersten LPs der aus dem Süden zugereisten Mother Earth finanzierte man sogar mindestens so aufwendige Klapp-Cover wie Capitol für das Debüt der besagten Steve Miller Band.

Unter Vertrag nahm man schließlich auch noch Doug Sahm, der aus frühen Beatlemania-Zeiten immerhin einen Hit vorweisen konnte mit „She’s About A Mover“, seither aber nur noch sporadisch kleinere Erfolge zu verzeichnen hatte. Für das Debüt auf dem Mercury-Sublabel Smash stellte er zunächst die praktisch komplett neu besetzte Sir Douglas Quintet + 2-Formation zusammen. Einen Sinn für Komik und süffisante Selbstironie hatte sich der Mann aus San Antonio über die Jahre immer bewahrt. Er war zweifellos der Überzeugung, dasss man auch mal Lehrgeld zahlen müsse. Also gab er dem letzten Song auf „Honkey Blues“ den Titel „You Never Get Too Big And You Sure Don’t Get Too Heavy That You Don’t Have To Stop And Pay Some Dues Some Time“. Und seine Ahnung sollte nicht trügen. In dieser Besetzungstartete die Band nicht noch ein mal aufs Neue durch.

Hitverdächtige Gassenhauer waren ihm dafür nicht eingefallen. Ein paar durchaus originelle Songs schon. „Are Inlaws Really Outlaws“ war eine bizarre Mischung aus Sleepy John Estes‘ „Leaving Trunk“-Blues und James Brown-Funk. Weniger spannend dann die Blues-Jamsession „Seil A Song“. Manches klang rasch aus dem Ärmel geschüttelt, anderes auch mal „experimentell“ inspiriert von „After Bathing At Baxter’s“. So bläserlastig sollte im übrigen nie mehr ein Album seines Quintetts sein.

Für das zweite Album bat er die alten Kumpel wieder ins Studio, erklärte gleich zu Beginn von „Mendocino“, dass das Sir Douglas Quintet endlich wieder da sei, überließ im wesentlichen Augie Meyer an den Keyboards den Gang der musikalischen Dinge, sang die Ode an seine Teenybopper-Freundin („You’re such a groove/ Please don’t move…“), und fertig war der unwiderstehliche Gassenhauer, der zum weltweiten Hit wurde. „Dynamite Woman“, „What About Tomorrow“ und „Nuevo Laredo“ perfektionierten die Formel noch, aber diesen Erfolg konnten sie nicht wiederholen. Dabei war das schon eine besonders ambitionierte musikalische Multikulti-Truppe, die sich da jetzt präsentierte. Woher sie kam, ließ Meyer auf seiner Farfisa nie vergessen. Aber der Mix aus Tex/Mex und Country Music, Garagenrock und Blues, Funk und Latin Pop in kleinen Prisen, Psychedelica und Soul war so erfrischend abwechslungsreich, dasss auch der gestrenge Ralph Gleason damals im „San Francisco Chronicle“ anmerkte: „The only band that I have heard play blues recently that was really listenable in a musical sense… is Sir Douglas and he is greatjust because he doesn’t do it like all the others.“

„If You Really Want Me To I’ll Go“ klang zwar ziemlich wie ein typischer Sir-Douglas-Gassenhauer, aber beigesteuert hatte diese einzige Fremdkomposition hier der aus Lubbock in Texas gebürtige Kollege Delbert Mc-Clinton. Mother Earth fanden den Country-Song „I Wanna Be Your Mama Again“ so prima, dass sie den gleich selber auch mal aufnahmen.

Auf den späteren LPs fand man Erinnerungen an T-Bone Walker, Bekenntnis zu Freddy Fender, Hochachtung für Tom T. Hall, ein oder zwei von Dylan inspirierte Songs, auch mal wieder Garage (..Catch A Man On The Rise“) und das schon sehr dylaneske, aber nicht von demselben stammende „Tortilla Fiats“. Für „Bf Real“ hatte er weithin dieselben Profis engagiert wie Dylan für „John Wesley Harding“ aber schluchzende Violine und Pete Drake an der Pedal Steel ließen das mehr wie denkbar altmodischste Country Music klingen. Leadbellys „Pretty Flower“ war im neuen Arrangement nur schwer wiederzuerkennen, aber trotzdem eine der besten unter den eher seltenen Cover-Versionen in den Quintet-Aufnahmen der Mercury-Jahre.

Lange Zeit nur direkt im Netz käuflich zu erwerben, ist das wunderbar aufgemachte Set endlich auch über einen deutschen Importeur erhältlich. Nichts für Snobs oder Prog-Rock-Fans, mehr für Kenner, die soviel bodenständiges Musizieren schätzen. Noch mal abgedruckt in den Liner Notes: Doug Sahms Dank dafür, dass er für „The Return of Doug Saldana“ als „Chicago of the Year“ vom ROLL1NG STONE ausgezeichnet wurde. Reichlich rare Bonus-Tracks, Single-Mixes und Outtakes.

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