Sonic Youth – Rather Ripped

Die Band, jetzt ohne Jim O’Rourke. beschränkt sich aufs Songformat Dass der erste Song auf „Rather Ripped“ ausgerechnet auf den Unter-den-Rock-greif-Rock der ollen Rolling Stones anspielt und von der misogynietechnisch relativ unverdächtigen Simone de Beauvoir der Tonkunst, Kim Gordon, gesungen wird, ist ein netter Altfrauenwitz. Das bemerkenswerte ist allerdings die Klarheit und Eingängigkeit dieses – in der Tat Stones-esken – Riffmonsters. Der beste Sonic-Youth-Popsong seit „Sunday“ vom meisterlichen „A Thousand Leaves“.

Natürlich funktionieren Sonic Youth generell nach anderen Gesetzmäßigkeiten als die Stones. Daher ist Jim O’Rourke (Produzent und Bandmitglicd für zwei Alben) nicht im Pool ertrunken, sondern einfach ausgestiegen, um sich anderen Projekten zuzuwenden. Auch hat man die Band über die letzten 20 Jahre nicht unbedingt in erster Linie für ihre Popqualitäten geschätzt, so dass die Hinwendung zu einem glatteren, weniger widerständigen Sound auf den letzten beiden Major-Alben „Murray Street“ und “ Sonic Nurse“ den Stücken nicht immer gut tat. Die spannenderen Dinge passieren bei Sonic Youth eh schon lange auf den experimentellen Alben ihres eigenen Labels SYR. Man könnte fast sagen, diese Nebenwerke seien eigentlich die Hauptwerke. Wenn man von solchen Hierarchien bei Sonic Youth überhaupt sprechen kann, denn eigentlich geht es ja nie um ein definitives Statement, sondern darum, den Songs und der Band beim Werden zuzuschauen.

Dafür bleibt auf „Rather Ripped“ allerdings in der Regel nicht viel Zeit, neun der zwölf Stücke stoppen vor der fünf-Minuten-Grenze. Keine epischen Poeme dieses Mal, stattdessen eine selbstauferlegte Beschränkung aufs Songformat. Das funktioniert vor allem dann gut, wenn Kim Gordon singt: „What A Waste“ – ein treibender Rhythmus, Noise-Schlieren, eine Gitarrenmelodie. „Turquoise Boy“

– Nico-esk, „The Neutral“, Sixties-Rock mit New Wave-Anklängen. Thurston Moores „Incinerate“ ist so treibend, transparent und klar wie schon vieles auf „Murray Street“, sein „Sleeping Around“ klingt dagegen wie ein – zurecht – längst vergessenes Grunge-Stück. Regelrecht quälend ist das freieste Stück des Albums „Pink Stream“, ein ideenloser siebenminütiger Jam. Grandios dagegen Lee Renaldos „Rats“, das den Sound mal gegen den Strich bürstet, sich eindrucksvoll aus einem muskulösen Bass-Groove und unscharf gestellten Gitarren in hymnische Höhen erhebt.

„What comes first, the music or the words?“, fragt Thurston Moore am Ende in einem Stück, das sich nicht festlegen kann, zwischen einer kleinen Folkmelodie, einem dumpfen Beat und einer metallischen Gitarre – in ihren besten Momenten transzendiert die Musik von Sonic Youth solche Entscheidungen.

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