Sophie B. Hawkins – Wilderness
Ich seh‘ Dir nicht in die Augen, Kleiner. Nackt und abgewandt wie die Etheridge auf „Never Enough“ {’92) kündigt die New Yorkerin ihre omnisexuelle Botschaft an. Scham ist das nicht. Sondern: Hautnahe ohne Opferrolle, Intimität ohne Hingabe, schwer erkämpfte Authentizität „You’re such a beautiful girl, you make the sky come down“, schwärmt sie, und „Sweet sexy woman, I was born to love you“. Kein A&R-Macho verweist auf Zielgruppen-Kompatibilität.
Seit ihrem dritten Album „Timbre“ ist die Multi-Instrumentalistin frei, sie kaufte die Masters nach enttäuschendem Rückhalt der Plattenfirma zurück. Und seit der Unabhängigkeitserklärung ist Sophies Welt hell, froh und glücklich, jedenfalls meistens.
Die 13 von den Berman Brothers koproduzierten Tracks haben Atem und Vision. Ein klarer Charter wie das Grammynominierte „Damn, I Wish I Was Your Lover“ vom Debüt „Tongues And Talk“ oder das betörende „As I Lay Me Down (auf „Whaler“) ist nicht zu erkennen, doch das liegt nicht an fehlender Substanz. Sondern am limitierten Budget der Independent-Künstlerin. Diese Songs zwischen Female-Rock und Disco-Funk, schwülem Bar-Jazz und lasziver Piano-Versuchung leiden an indifferentem Sound. Hawkins‘ wenig füllige, mädchenhafte Stimme profitierte sicher von teurerem Equipment. Ausgerechnet in der viel versprechenden Hymne „Angel Of Darkness“ versinkt sie förmlich im Dröhn der Synthesizer. Dabei ahnen wir nach der ekstatischen „Blue“-Performance, dass sie im Nina-Simone-Register gurren kann. Und nach „Walking On Thin Ice“, dass sie die warme Sexyness einer Beverley Craven aufbrächte. Die Qualitäten von „Wilderness“ springen nicht sofort ins Gesicht. Muss kein unverzeihliches Manko sein. Denn so spüren wir den Details mit spitzen Ohren unterm Kopfhörer nach. Und hören einem Album beim Wachsen zu. Schön ist das.