Soul & Blues von Jörg Feyer
Der „Boom“ entläßt seine Kinder. Ungeduldige Major Companies kriegen den Blues, weil sie ernüchtert feststellen müssen, daß selbst wertige Künstler kurzfristig kaum die falsch gestellten Weichen in Medien, Handel, (Fan-) Köpfen hinbiegen können. Doch die dünne Höhenluft der Multis muß nicht zwangsläufig den tiefen Fall in die zweite Reihe à la Walter „Wolfman“ Washington nach sich ziehen. In Paris scheinen „Verve„-Chef Jean-Philippe Allard und Produzent John Snyder fest zum langen Atem mit dezidierter Repertoire-Pflege und behutsamer Aufstockung des Künstler-Stamms entschlossen. Dazu zählt auch LARRY GARNER. Auf seinem Major-Debüt „You Need To Live A Little“ (Verve 523 759-2/Motor Music) durchmißt der 42 Jahre alte „Youngster“ aus Baton Rouge mit lässigem Gestus ein weites Feld moderner Blues-Sounds, die Gospel-Emphase, Soul-Eleganz und R&B-Temperament mit Country-Sentiment und Bayou-Atmosphäre verknüpfen. Ein bißchen viel auf einmal? Nicht, wenn da ein Autor und Interpret waltet, der alles mit unaufdringlicher Autorität beieinanderhält und Gästen wie Sonny Landreth und David „Fathead“ Newman genügend Auslauf läßt. 4,0
Als neuer Label-Kollege grüßt von der anderen Seite des Spektrums Harp-Veteran JAMES COTTON, der inzwischen singt respektive „röchelt“, als ob seine Stimmbänder jeden Moment komplett ausfallen könnten. Ein Manko mit Charme, das auf „Living The Blues“ (Verve 521 238-2/Motor Music) durch ungebrochenen Enthusiasmus am „Mississippi Saxophone“ (Song-Titel) kompensiert wird. Der bläst und bläst und bläst, während eine stramme Band sowie Dr. John (auch als Vokalist!) und Joe Louis Walker die nötigen Kohlen aus dem Feuer holen. Oder besser: hineinlegen. 3,0
Hinlegen möchte man sich eher, wenn der Laser über „Rambling‘ Man“ (Verve 523 760-2/Motor Music) von LESTER KINSEY gleitet – eine ideale Platte für frühe Morgenstunden, wenn gedankliche Sammlung im Gefolge nächtlicher Exzesse vonnöten ist Nach seinem Muddy-Waters-Tribut definiert der „Barry White des Blues“ den Begriff „ausgeschlafen“ diesmal auch mit eigenen Songs. Und läßt sich zwischendurch erfolgreich aus selbstverordneter Butterfahrt-Lethargie wecken. 3,0
Wer glaubte, mit zig-mal gespielten Oldies eigentlich schon abgeschlossen zu haben, sollte hören, was THE PERSUASIONS aus „Lifffe Red Rooster“ herausholen. Doch auch Songs von Sam Cooke, den Troggs (!), Brecht/Weil! (!?) und Frank Zappa (?!?) sind bei den A-capella-Veteranen aus New York in den richtigen Händen – mit dem ungehobelten Charme einer Strassen-Session „Right Around The Corner“ (Bullseye/Zensor 9556/Indigo). 3,0
Wer suchet, der findet. Unter all dem Konfektions-Blues-Rock von der Stange, den Robert-Plant-Gitarrist INNES SIBUN auf „Superstitious“ (Viceroy/Rough Trade 360.00322) glaubt feilbieten zu müssen, beispielsweise ein akustisches Kleinod wie „Fisherman’s Wharf“. Wie kommt so was auf so eine Platte? 2,0
Best of both worlds: Auch auf „Blue House“ (Rounder/Zensor Zen 2 – 04/Indigo) zieht MARCIA BALL als gelehrige Prof. Longhair-Schülerin alle Register zwischen Barrelhouse-Boogie, Soul-Stomper und Blues-Ballade. Und erweist sich obendrein nicht nur mit dem sensiblen „Saint Gabriel“ als veritable Autorin. 3,5
JAY OWENS, seit dem späten Debüt „The Blues Soul Of….“in aller Munde, legt auf seinem Code Blue-Einstand „Movin‘ On“ (Code Blue/ EastWest 4509-99061-2) eine Genre-sprengende sophistication an den Tag, die Puristen Bauchschmerzen bereiten wird. Teils hart an der Grenze zu süßlichem Manierismus lavierend, bringt die polierte Produktion aber auch berückende Highlights wie „Where There’s Love“ hervor. Owens‘ fiebriger Gospel-Growl gerät da zuweilen ein wenig ins Hintertreffen. 3,5