Spring Breakers

Teenies, Strand und Sex – der alternde Hipster Harmony Korine erfindet sich mit einem Märchen aus dem modernen Amerika neu

James Franco, Vanessa Hudgens

Regie: Harmony Korine

Start: 21.3.

Einige der Qualitäten dieses Films sind zu offensichtlich, um sie vorbehaltlos zu genießen: Sonne, Strand, Musik, Gangster, und vor allem vier hübsche Teenage-Girls, die überaus leichtbekleidet eine Menge Unsinn veranstalten. Unter anderem überfallen sie eine Fast-Food-Bude, weil ihnen das Geld fehlt, um wie ihre Klassenkameradinnen in Florida beim Ami-Teenie-Initiations-Ritual „Spring Break“ die Sau rauszulassen. Der Überfall glückt, und in Florida angekommen, haben die vier doch noch ihren Spaß, saufen, huren, nehmen Drogen ohne Ende, und werfen sich einem Typen an den Hals, der nicht nur ein Gangster ist, sondern auch noch deutlich älter. Klar also, dass hier auch die Brüderle-geschulte Gesinnungspolizei leichtes Spiel hat: Wer auf so was abfährt, muss schon einen Dachschaden haben, oder jedenfalls von gestern sein. Ok, akzeptiert. Also für alle hier die Beichte: Dieser Film ist Sexismus pur, Exploitation pur, Voyeurismus pur; er appelliert wie jeder gute Brian-DePalma-Film an alle vorhandenen niederen Instinkte, er ist sogar manchmal einfach dumm, etwas öfter vulgär. Und, ach ja: Es ist übrigens auch ein sehr guter Film. Wem das genügt, der kann jetzt aufhören, für den Rest ist vielleicht allein die Frage, wie das alles zusammengeht, Grund genug, noch ein bisschen weiterzulesen.

Faith, Cotty, Candy und Britt aus dem bible belt geraten in Florida an Alien, einen White-Trash-Gangster mit Goldgebiss und weichem Herz, der die vier für sein Geschäft des Touristen-Ausraubens einspannen möchte. Während Faith in den nächsten Bus nach Hause steigt, drehen die übrigen drei den Spieß bald um.

Seit er mit 21 vom Fotografen Larry Clark beim Skaten im Washington Square Park entdeckt wurde und in drei Wochen das Drehbuch für Clarks Welterfolg „Kids“ schrieb, wurde der 1973 geborene Harmony Korine mit eigenen Filmen wie „Gummo“, „Julian Donkey-Boy“, „Mr. Lonely“ und zuletzt „Trash Humpers“ zum Star des US-Independent-Kinos. Gerade sein letzter Film war allerdings bereits von spürbar altmodischem Flair durchzogen, die Unschuld der Figuren mit ihren dick aufgetragenen skurrilen Zügen und „liebenswerten“ Marotten umwehte etwas Kaurismäki-haftes, Reaktionäres. Mit „Spring Breakers“ erfindet sich Korine nun vollkommen neu: Fern vom Echtheitsfetischismus in „Gummo“ und den Freak-Verehrungen der „Trash Humpers“ ist auch dies ein Märchen aus dem modernen Amerika, allerdings eines, das dessen Konsumismus und Medien-Abhängigkeit, das Leben aus zweiter Hand nicht von außen verachtet, sondern von innen examiniert.

Korine findet hier Einsamkeit und Melancholie, er entdeckt aber auch die Gesten einer Popkultur, die nicht etwa Surrogat und Daseinsersatz ist, sondern zur Schule des Lebens wird: Alien etwa designt das eigene Selbstbild komplett nach Pacinos Tony Montana in De Palmas „Scarface“, dem Film, der auf seinem heimischen Flachbildschirm in Endlosschleife läuft. Candy hat in Britney Spears ihr ultimatives Role-Model gefunden.

„Spring Breakers“ ist natürlich als Medienkritik und Sprachanalyse lesbar, vor allem aber ist dies ein hedonistisches Manifest und eine Feier des Fetischismus des Kinos – voller Dynamik und Emphase. Korines französischer Kameramann Benoît Debie, der sich seine Lorbeeren mit Gaspar Noés „Enter The Void“ verdiente, findet großartige Bilder zwischen Private-TV-Bombastik und Nineties-Impressionismus. Diese werden von einem cliphaften Schnitt unterstützt, der von Zeitlupen, Erzähl-Loops, Jump-Cuts und kommentierender Musikauswahl (u.a. Skrillex und Cliff Martinez) dominiert wird.

Eine Befreiungsaktion ist dies auch für drei Darstellerinnen. Keineswegs zufällig hat Korine neben seiner Frau Rachel für die übrigen Hauptrollen mit Selena Gomez, Vanessa Hudgens und Ashley Benson Stars des blitzsauberen Disney-Channels gecastet, deren Auftritt hier ihre Fans nachhaltig verstören dürfte. Eine Initiation ist dies also nicht nur für die Hauptfiguren, sondern auch für Harmony Korine selbst, der vor diesem Film nur ein alternder Hipster war, das enfant terrible fürs bürgerliche Arthouse-Kino. „Spring Breakers“ dagegen ist gerade für dessen Klientel glücklicherweise absolut unerträglich.

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