Steinbruch Kurzbesprechungen
Der tote Querkopf FRANK ZAPPA kommt nicht zur Ruhe: “ The Lost Episodes“ (Ryko/RTD) sind 30 mehr oder weniger lange, mehr oder weniger interessante Studio-Schnipselchen aus 25 Jahren seines Schaffens. Bei fünf Songs singt Captain Beefheart. Ein Nachklapp zu der voluminösen Wiederveröffentlichung des Gesamtwerks und also vor allem für Archivare und Kuriositätensammler von Wert. 3,0
Richard Manuel ist tot, Robbie Robertson schweigt, THE BAND lebt. Auf „High On TheHog“(Pyramid/Castle) spielen die Übriggebliebenen zäh rollenden Südstaaten-Boogie und pathetischen Blues mit Bläsern, obwohl der Abschiedsfilm „The Last Waltz“ schon 20 Jahre zurückliegt. Die Songs stammen von Doc Pomus, Bob Dylan und J. J. Cale, und das alles ist gar nicht übel. 2,5
DEINE LAKAIEN haben ein tödliches Image, doch die Vorschubleistung für pubertäre Suizid-Phantasien sollte man ihnen nicht vorwerfen. „Winter Fish Testosterone“ (Class X Rec.) verdankt sich eher Japan und David Sylvian als nekrophilen Grabschändern, was natürlich nicht bedeutet, daß die schwerblütigen Romantizismen immer erträglich wären. 2,0
„Transformer“ (Marlboro/edel) hieß schon mal ein Album, doch anders als Lou Reed hat die Schweizer Band CORE noch gar nichts zu transformieren. Der Name ist natürlich Programm, es wird gerockt und gebrüllt, und manchmal werden Core auch bullig-sanft. Kein großer Wurf, aber ein kräftiger. 2,0
Schon seit einigen Jahren spielt der Gitarrenbastler HENRY KAISER mit wechselndem Personal Stücke von Grateful Dead nach. Ein Witz, denn Jerry Garcia spielte nie Grateful Dead-Stücke nach. „Eternity Blue“ (Koch) hat folglich keinen Mehrwert, erweitert jedoch den wuchernden Dead-Kosmos. 2,0
Das Auffälligste, was aus den letzten Jahren des PETER HAMMILL zu berichten ist: Heinz Rudolf Kunze hat einige seiner Texte ins Deutsche übertragen. Die private Mystik dieses romantischen Außenseiters hat sich mittlerweile zu einem enigmatischen Wahnsystem verdichtet, in dem das Pathos wächst. „X My Dear“ (RTD) ist wieder so ein Wolkenkuckucksheim rätselhafter Schönheit und Askese: unbegreiflich, hehr und autistisch. 3,0 Björk und die Folgen: Von all den englischen Formationen, die sich vom isländischen Superstar inspirieren ließen und zwischen Trip-Hop und Kauz-Pop rumwuseln, gefallen RAISSA am besten. Auf dem Debüt „Sleeping Bugs“ (Big Cat/RTD) kombiniert das Trio, das wie seine Sängerin heißt, gekonnt blümerante Beats und verwehte Melodien. Dunkel, aber überhaupt nicht deprimierend. Musik für die Stunden zwischen Mitternacht und Morgengrauen. 3,0
Schön war die Zeit: Die Andiologie „So wie ich bin: 1975 -1995“ (RCA) zeigt KLAUS HOFFMANN, wie er war und ist: immer ein bißchen zu sentimental, zu sanft, zu versonnen, zu verschwommen. Ein Empfindsamkeitsvirtuose, aber leider auch ein Kitschier. Und doch gibt es kaum vergleichbare Lieder jenseits der Rockmusik in Deutschland – es sei denn von Hermann van Veen. Und der ist ja Holländer. 2,5
Minimalistisch und monoton, das sind KING KONC. Nein, mit Techno hat die Band aus Louisville, Kentucky nichts zu tun. Aber ihrem Groove kann sich niemand entziehen. Auf dem Album „Me Hungry“ (Drag City/EFA), das mit Verspätung jetzt endlich auch hierzulande regulär erhältlich ist, klingen sie wie die frühen B 52’s, nur ein bißchen unberechenbar. Der große Affe hat tanzen gelernt, und er tut es wie kein Lebewesen vor ihm. 3,5
Surf-Puristen rümpfen die Nase. Die INCREDIBLE SINALCO BUMS eröffnen ihre Platte mit einem Rülpser – wahrscheinlich weil die Sinalco-Brause soviel Kohlensäure hat – und legen zuweilen fiebrig taumelnde Shalalas über die Stücke. Trotzdem ist ihre lOinch „Gremmie’s Trial“ (Blue Enterprise) kein Spaßterrorismus. Das All-Star-Projekt aus ehemaligen Musikern von Die Braut haut ins Auge und Die fünf Freunde spielt Surf-Trash, der kein „Pulp-Fiction“-Trara braucht. Aus Billstedt, Hamburg. 3,0
Wo IVAN KRAL war, passierte der Rock’n’Roll. Mit seinen Eltern floh der Tscheche 1968 ins Exil. Er arbeitete bei Apple Records, spielte in der ersten Besetzung von Blondie, gründete die Patti Smith Group. Danach nahm der Gitarrist Engagements bei Iggy Pop und U2 an. Das letzte Mal hörte man von ihm, als er auf den Berlin Independence Days beim skandalumwitterten Auftritt von Kim Fowley mitmischte. „Nostalgia“ markiert seine Rückkehr im großen Stil, und alle machen mit. Eröffnet wird das Album mit einer Poetry-Nummer seiner alten Freundin Patti Smith, John Cale sitzt dabei am Piano. Ansonsten bietet das Alterswerk gepflegten Erwachsenen-Rock. Die Soli sind manchmal zu säuselig, aber dafür kann man Kral nicht böse sein. Gesignt wurde der Künstler übrigens vom tschechischen BMG-Department, da passiert jetzt auch der Rock’n’Roll. 2,5
Man wähnt TINA TURNER in derselben sterilen Welt, die von den Mariah Careys und Michael Boltons bevölkert wird, in einer Welt gestylter Emotionen, gebügelter Gedanken und gefönter Erotik. Vergessen wir aber nicht, daß Turner ebenso großen Anteil hatte an „River Deep, Mountain High“ wie Phil Spector. Das war vor 30 Jahren, doch gab es seither keine 30 Aufnahmen, die dieser das Wasser reichen könnten. Die eine Höchstleitung fürs Pantheon des Pop wird Tina Turners Credibility-Konto noch für einige Zeit im schwarzen Bereich halten, auch wenn „Wildest Dreams“ (EMI) wieder mächtig für Miese sorgt Nur ganze zwei Tracks haben eine gewisse Klasse, eine immanente Stärke, eine Schlüssigkeit, die dankbar registriert wird: zum einen „Goldeneye“, ein in jeder Hinsicht durchschnittlicher Bond-Song von Bono und The Edge, zum anderen Tinas Cover von „Unfinished Sympathy“, im Original von Massive Attack. Beide Cuts wurden von Craig Armstrong trefflich orchestriert, beide haben das Zeug zum Hollywood-Soundtrack. Der Rest taugt bestenfalls als Hintergrundmusik für Deo-Commercials. Wegen Jenseitigkeit nicht zu bewerten.