Steinbruch Kurzbesprechungen

Ein neues Album von Elvis Costello – unter neuem Pseudonym? Nein, ESQUIVEL, der mexikanische Altmeister des Easy Listening, „the Busby Berkeley of Cocktail Music“ und in den 50er und 60er Jahren wie der Choreograph ein Markenartikel im Showbusiness. Frank Sinatra kannte ihn! Jetzt wird wieder getanzt wie einst, und auf „Cabaret Manana“ (RCA) sind diese Pretiosen mit scharf-schrillen Bläsern und perlender Latino-Percussion aufgehoben. Leichter geht es gar nicht. 3,0

Das Album des Monats für Kunstsinnige: „Music For Egon Schiele“ (Quarterstick/EFA) von RACHEL’S, einem Kammermusik-Trio um die Pianistin Rachel Grimes. Eigens komponiert für ein Tanztheater-Stück in Chicago, evozieren die elegischen Etüden Szenen aus dem Leben des österreichischen Malers. Gnadenlos präzis sind Schieies Menschenstudien, bodenlos melancholisch Rachel Grimes‘ Anverwandlungen. Eine Rhapsodie in strahlendem Grau. Die Album-Ausstattung bekommt den Preis für Ästhetik. 4,0

House als Hausmusik. Im Coverbooklet präsentiert sich DAVE ANGEL lachend im Kreise seiner Familie, zwischen lieb lächelnden Tanten und kichernden Kindern. Angel ist ein Geläuteter. Als junger Mann verbrachte er nicht wenig Zeit im Knast, doch jetzt lebt er redlich. Und seine Musik hat ihm dabei geholfen. Kein Wunder, die House-Tracks auf „Tales Of The Unexpected“ (Mercury), eines der feinsten Alben des Genres seit langem, sind so warm und friedlich, daß man dabei nicht auf schlechte Gedanken kommen kann. Doch die Musik von Angel ist nicht nur schön, sondern auch klug. Die teils live gespielte Percussion könnte auch Jazz-Hörer zum Tanzen bewegen. 4,0

Sie leben! Seit einem Jahrzehnt verteidigen THE WEDDING PRESENT schon den guten alten britischen Schrammelpop, ihr Revier macht ihnen keiner streitig. Erstaunlicherweise klangen sie in all den Jahren nie anachronistisch. Auf „Mini“ (Cooking Vinyl/Indigo) musiziert die Highspeed-Beat-Band streckenweise, als hätten sie die Finger in die Steckdose gesteckt. Und „Sucker“ ist der beste The Fall-Song, der nicht von The Fall geschrieben wurde. 3,5

Bei aller Hochachtung für die Leistungen der Pioniere: Der Almdudler-Polka-HipHop von FSK nähert sich in seiner Berechenbarkeit den Darbietungen der Leningrad Cowboys. An „international“ (Sub Up/EFA) überzeugen vor allem die Songtitel – „Mark Twain In Heidelberg“, „Amon Düül Diskographie“, „Jane Fonda Lied“, „El Pit Bull“, „Das schlechteste Land der Welt“. Dazu eine Fassung vom „Euro Trash Girl“ ihres Freundes David Lowery. Spätetens seit „Son Of Kraut“ spielen FSK die transatlantische Endlosschleife. 2,5

Die Beatles treffen die Bangles: TASTE OF JOY aus Kanada mäandrieren auf ihrem Debüt „Trigger Fahles“ (edel Company) durch melodieselige, bombastisch blubbernde Pop-Reigen. Und Michele Goulds mädchenhaft quengelnder Gesang samt pittoresker Lyrik erinnert an die schwindelerregende Unschulds-Poesie von Juliana Hatfield: „When the bed Spins, I hold your aching head.“

3,0 Ihre Multiple Sklerose macht es VICTORIA WILLIAMS unmöglich, auch in diesen Breiten auf längere Konzertreise zu gehen. Leider, muß man nach Durchhören des Live-Mitschnitts “ This Moment In Toronto“ (Mammoth/TIS) sagen. Zwar liegt der Schwerpunkt des 16-Song-Repertoires auf dem letzten Studio-Album „Loose“ (1994). Doch Williams‘ Rapport mit dem Publikum und die kammermusikalische Folk-Finesse einer mit David Mansfield und den Williams Brothers exzellent besetzten Band rechtfertigen die Neuauflage. Zu schweigen von ihrer „Smoke Gets In bur Eyes“-Interpretation und Songs wie „Frying Pan“ und „Summer Of Drugs“.

3,5 Sie nennen es die „neue Harmlosigkeit“. Oder auch: „R.E.M. und die Folgen“. Immerhin kommen die GIN BLOSSOMS auf ihrem zweiten A&M-Album „Congratulations I’nt Sony“ (Polydor) nicht ganz so bieder und gutmeinend daher wie Hootie 8t The Blowfish. Mit der disziplinierten Euphorie einer frisch konstituierten Pfadfinder-Truppe berauschen sich die Fünf aus Arizona an ihrem mal hymnischen, mal melancholischen, aber stets freundlichen Gitarren-Pop. Das macht ungefähr drei Songs lang halbwegs Spaß, danach erlahmt das Interesse gefährlich schnell. 2,0

The times they are… auch für JOHN DOE: Mit X und Partnerin Exene Cervenka verkörperte er vor 15 Jahren sowas wie die „intelligente“ Seite von Punkrock in L.A. Sein neues Album „Kissing So Hard“ (Rhino/TIS) läuft vermutlich unter „Alternative“. Das hat ein Mann nicht verdient, der sich auch in den besten Jahren mit störrisch-monotonen Gitarren und verlorenem Balladeering bequemer Roots-Heimeligkeit entzieht. Doe lamentiert über TV 8C Geld und gibt zynische Parolen (,3eer, Gas, Ride Forever“) aus. Das ist sympathisch, wenn auch“Dank“ gewohnt mäßigen Gesangs nur bedingt unterhaltsam. 2,5

Bleib du bei deiner Gitarre, ich bleib bei meinem Sampler. Das Bier reicht man noch vom Tresen nach hinten, aber Musik wird dann doch lieber innerhalb der angestammten Fraktion gemacht Die Menschen vom Hamburger Imperial Sound Kollektiv, Studio und Ideenfabrik in einem, holten sich Musiker unterschiedlicher Provenienz ins Haus, um mit ihnen jeweils ein Stück aufzunehmen. War so schwierig nicht, stehen ja alle in denselben Bars rum. Das Ergebnis schockiert. Für den Sampler CAMP IMPERIAL (L’age D’or/RTD), dem so entstandenen Leistungsnachweis, müssen neue Etiketten verklebt werden. Die vertretenen Künstler oszillieren nämlich zwischen Electronic-Folk, Low-Fi-House und Intelligent Country. Grandios ist die „Warteschleife“ vom Projekt Sinus Albino – klingt wie die Bombast-Soundscapes von My Bloody Valentine auf acht Spuren produziert. Die Flash Gorden Blues Band hingegen spielt den Blues mit dem Wissen, daß es unentdeckte Klänge im Computer gibt. Und noch im abseitigsten Geräusch liegt irgendeine schöne Geschichte, die erzählt werden will. Klasse Kooperation. 3,5

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