Stephen Malkmus & The Jicks :: Mirror Traffic

Nach der Pavement-Reunion kehrt Stephen Malkmus – von Beck produziert – eindrucksvoll in die Gegenwart zurück.

Stephen Malkmus war nicht besonders beeindruckt, als das Gestern ihn einholte. Gelangweilt, ein bisschen genervt sogar stand er mit seiner alten Band Pavement auf den Bühnen ausverkaufter Häuser und machte den Slacker, während ein Haufen alternder Mucker zu seiner Linken eine Neunziger-Nostalgieshow abspulte. Plötzlich verstand man, warum er mittlerweile lieber mit seiner neuen Band, den zackigen, attraktiven Jicks, Platten machte – mit der smarten Joanna Bolme am Bass, dem irren Keyboarder und zweiten Gitarristen Mike Clark und der coolen Ex-Sleater-Kinney-Trommlerin Janet Weiss. Die ist allerdings auf „Mirror Traffic“ nun zum letzten Mal dabei, weil sie sich auf ihre neue Band Wild Flag konzentrieren will.

Jetzt, da die Vergangenheit endgültig vorbei ist, kann Malkmus wieder musikalische Haken schlagen. Wenn man eine Logik sucht in seinem bisherigen Werk, müsste auf das ausufernde Tribut an den britischen Psychedelic Rock, „Real Emotional Trash“, nun wieder ein verqueres Popalbum in der Tradition des namenlosen Solodebüts und des versponnenen „Face The Truth“ folgen. Und dass Beck, der ähnlich wie Malkmus in den Neunzigern all dem Pathos und all dem Leiden der Grunge-Jungs Witz, Ennui und Spielerei entgegenhielt, „Mirror Traffic“ produziert hat, scheint diese Vermutung zu bestätigen.

Das Album beginnt gleich mit feinstem Jicks-West-Coast-Pop: „Tigers“ heißt das Stück – verspulte Gitarren, federnder Beat, Dada-Lyrik, hysterisches Crescendo. Eingängig wie einst „Jenny And The Ess-Dog“, aber mit Widerhaken. Danach macht Malkmus in „No One (Is As I Are Be)“ auf 70s-Singer/Songwriter (mit einer Spur „Muswell Hillbillies“-Kinks). Die akustischen Gitarren zirpen, die Finger quietschen über das Griffbrett und tänzeln über die Klaviatur, die Bläser pusten 60s-Patina auf den Track. Das pompös-einschmeichelnde Arrangement klingt nach Beck, die Lyrik ist aber natürlich echter Malkmus und weit entfernt von Innerlichkeit und Liedermacherkunst: „I can not even do one sit-up/ Sit-ups are so bourgeoisie/ I’m busy hanging out and spending your money/ What does it mean?“

Die an sich euphorisierende Kifferhymne „Senator“ leidet anschließend zwar ein bisschen am banalen Refrain („I know what the senator wants/ What the senator wants is a blow-job/ I know what everyone wants is a blow-job“), aber die ersten drei Tracks sind nichtsdestotrotz ein ziemlich eindrucksvoller Kickstart zurück in die Gegenwart. Man kann sich vorstellen, wie sich Malkmus gelangweilt von den Oldies der Reunion-Tour die kreative Unruhe vom schlaksigen Leib schrieb. „Mirror Traffic“ wechselt mit jedem Stück die Richtung: von psychedelischem Blues („Brain Gallop“) zu den späten Beatles („Asking Price“), von „Wowee Zowee“-Pavement („Tune Grief“) zum in einem Slacker-Diss versteckten Classic Rock („Forever 28“), von den Zombies („Fall Away“) zu Bob Dylan („Gorgeous George“). Anstrengend ist das nie. In seiner Süffigkeit erinnert „Mirror Traffic“ sogar ans letzte Wilco-Album, auf dem ja auch alle Qualitäten der Band noch einmal mit großer Leichtigkeit zelebriert wurden.

Kein Wunder also, dass einem jeder Song erst mal wie ein alter Bekannter erscheint. Aber der Teufel (oder ist es der alte Scientologe Beck Hansen?) steckt hier im Detail. Wenn etwa Malkmus im stakkatohaften „Spazz“ seine erotomanischen Fragmente einer Sprache der Liebe herbetet und plötzlich ein sakral anmutender Männerchor kurz einstimmt oder wenn eine elegische Hängerhymne in einen countryesken Gram-Parsons-Refrain mündt, nur um dann in einem Fuzz-Gitarrensolo aufzugehen („Long Hard Book“), versteht man die dialektische Wende dieses Werks: Stephen Malkmus & The Jicks lieben ihre musikalische Vergangenheit, sie wollen sie aber immer wieder neu erfinden. (Domino) Maik Brüggemeyer

Beste Songs: „Tigers“, „Spazz“

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