Steve Wynn – Here Come The Miracles

Er wurde nicht müde zu betonen, wie inspirierend der Big Apple für ihn sei. Und doch hat der Wahl-New Yorker Steve Wynn eines der kaliforraschsten Alben seiner Karriere gemacht. Kalifornisch ist „Here Come The Miracles“ nicht nur da, wo er die Geister der „Topanga Canyon Freaks“ aufspürt und den armen Bobby in der „Southern California Line“ ins Nirwana begleitet. Kalifornisch ist sein siebtes Solo-Album vor allem in der Ahnung, die selbst im fröhlichen Surf-Lärm der Beach Boys lauerte:

dass hinter der nächsten Pracht-Welle das Nichts kommen könnte. So wie in „Sunset To The Sea“ selbst tanzende Martha & The Vandellas eben keine „Thunder Road“-Romantik mehr freisetzen.

Es ist der schale Fluch des „Hotel California“: Wynn hat zwar ausgecheckt, doch der Room Service klopft immer noch an (und meist dann, wenn man ihn gar nicht brauchen kann). Kalifornien liegt ja auch gleich nebenan, da draußen in Tucson, Arizona, wo Wynn neben seiner aktuellen Band um Schlagzeugerin Linda Pitmon und Ex-Come-Gitarrist Chris Brokaw auch alte Freunde wie Chris Cacavas, Howe Gelb und John Convertino (Calexico) zum Sprung ohne Fallschirm bat. Nicht zuletzt sie halfen, die nicht weniger ab 19 Songs (Achtung, Doppel-Album!) en detail klar zu definieren.

So flaniert Wynn entspannt doch konzentriert – zwischen Punk-Rock, Garagen-Pop, Psycho-Blues – durch

sämtliche Register seiner musikalischen Herzensbildung, so wie im lieblichen „Morningside Heights“ zwischen East und West Side auf der Suche nach einem Lebenszeichen, während der Chor doch eher ein Pazifik-Panorama beschwört. New brk vor Augen, Kalifornien in der Hinterhand. Vokal-Harmonien flankieren auch das ominöse „Butterscotch“, Cacavas‘ Wurlitzer schimmert durch das graue Erwachen von „Blackout“, Jas stoische, ,Let’s Leave It Like That“ fusioniert Orgel, Lap Steel und Bass Harmonica, während 12 String und Piano dem schmerzlichen „Good And Bad“ Halt geben. Howe Gelbs Feedback-Solo scheint zu stehen und zu bleiben, ganz eben wie der Schmerz in „Sustain“.

Wynn nimmt sich viel Zeit, um dem Geheimnis der verlorenen Zeit auf den Grund zu gehen. Doch nichts erklärt die Zeit. Und ein Schnippchen schlagen kann man ihr auch nicht. Denn: „Tm buying time but Fve got no place to put it.“ („Death Valley Rain“) Was hilft da noch? Genau: beten. „There will come a day, lord, there will come a day…“ sucht Steve Wynn schlussendlich Gospel-Zuflucht. Die Gitarren singen und summen, die Chöre jubilieren, als hätte es nie ein Erdbeben gegeben. Der Wüstensohn in der Stadt, die aus der Wüste erstanden ist. Auch eine Form von Californication.

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