Sufjan Stevens – Come On Feel The Illinoise
Mir hat die zweite Platte von Sufjan Stevens, „Michigan“, nicht so gut gefallen wie die erste, „Seven Swans“. Das Spukige, Geheimnisvolle, fast Unsichtbare des Debüts war eine Überraschung und Sufjan Stevens schon dort ein gereifter Künstler mit einer erstaunlichen Begabung. „Michigan“ drehte dann das Licht an, war süßlich lustig und neo-folkig, aber entlarvend transparent. „Michigan“ war allerdings auch die erste Folge von Stevens‘ wahnwitzigem Projekt, allen 50 Staaten der USA eine Veröffentlichung zu widmen – womöglich war die Platte also Programmmusik und der Stil nur Mittel zum Zweck.
War es nicht. Auch auf „Illinoise“ spielt Stevens mit klassisch psychedelischem Pop und hat vielfingerige Ideen für filigrane, manchmal Barock-artige Musik, in dessen Fluchtpunkt sich bestimmt die späten Beatles und Brian Wilson erkennen lassen. Doch Stevens findet auch zurück zum Verwunschenen, Halbwachen des Debüts.
In „Jacksonville“ etwa sind wohl Streicher und Trompeten, aber das Bild hat verwischte Konturen und will nicht ganz scharf werden. An anderer Stelle spielt Stevens wieder seinen seltsam archaischen Folk mit Banjo und Akkordeon, überbelichtet mit vielfach gestapelten Chören.
Höhepunkt unter vielen guten Liedern ist „Decatur Or Round Of Applause For Your Mother“ mit Hippie-Gesängen und einer kurios feierlichen Trauerstimmung – allein diese fünf Minuten lohnen schon die Platte.
Was das alles mit Illinois zu tun hat, weiß nur der Künstler ganz genau. Stevens singt von Militärveteranen, Kinderschändern, Ufos und Indianern und will so vermutlich Wesen und Geschichte des 21. Bundesstaates erkennbar machen. Doch die Worte sind mal sehr erratisch, mal sehr direkt und mikrokosmisch, daß das große Ganze sich einem so recht nicht erschließt. Aber Stevens‘ Projekt, das Sinn stiften und Identität bilden soll und einen ganz gesellschaftspolitischen Ansatz hat, ist in erster Linie für die Amerikaner gemacht – die haben’s mit dem Verstehen ja vielleicht leichter.