Surrogat – Hell In Hell :: Motor

Irgendwas, das Patrick Wagner womöglich aus einer marokkanischen Apotheke geklaut hat, ist ihm zu Kopf gestiegen – er hat sein eigenes, übercooles Label Kitty-Yo verlassen, mit einer schönen Frau das (vermutlich) schönste Kind aller Zeiten gezeugt und dann mit seiner Trio-Band Surrogat „Hell In Hell“ zur Welt gebracht, die gewaltigste bürgerliche Rock’n’Roll-Platte, zu der eine deutsche Gruppe je die Unverfrorenheit besessen hat.

Bürgerlich soll heißen: Surrogat aus Berlin sprechen nicht mehr für die ohnehin selbstbewusste Indie-Minderheit Das Album „Rock“ markierte 2000 ja schon die Wende, „Hell In Hell“ vollführt sie. Furchtbar demonstrativ (wie sonst?). Die Platte donnergrollt schon von Weitem so sehr, dass man Angst kriegt, beim Näherkommen von irgendwas erschlagen zu werden. Und mitten im Gebrüll zeigt sich, wie Surrogat die Architektur des schweren Rhythm’n’Blues beherrschen, wie sie ihn auf ihre Seite ziehen und was für immerwährende Gitarren-Riffs sie da noch herauskratzen.

„Gott AG“, das ist im Prinzip natürlich „Whole Lotta Rosie“ von AC/DC, aber sowas hätten AC/DC nie gesungen: „Du machst dir immer wieder klar: Du bist Patrick Wagner Superstar!“ Es klingt gut, wie er sich das einhämmert: „Angst war gestern, morgen sind wir!“ („Love Baby“), „Gesetzt den Fall, wir wär’n Giganten: Dir seid gefährdet!“ („Unantastbar“). Glam-Verse, Koks-Verse, vielleicht ein Mantra gegen den drohenden Niedergang der Menschen. Dann schreit Wagner ein Liebeslied, „S.O.S.“, bei dem einem die Knie weich werden, als hätte einer mit dem Baseballschläger draufgehauen.

Jetzt wäre Zeit für das Sprüchlein: „Diese Platte ist unsubtil, von sich selbst besoffen, phrasenhaft – genau so muss Rock’n’Roll sein!“ Stimmt nicht. Stimmt natürlich doch, aber das rechtfertigt jeden Mist „Hell In Hell“ ist ein unglaublicher Klotz Musik, ein geschliffener Brocken, der im eigenen Universum rotiert. Und gleichzeitig ein Zug im Pop-Spiel um die Konstruktion von Identitäten: die brachiale Ich-Setzung. Patrick Wagner Superstar wusste schon vorher, wie viele ihm das aus der Hand fressen. Er weiß auch, dass er von allen anderen mit keiner Unze Nachsicht rechnen darf. Kein Zurück. Die Platte wird ihn gen Himmel kicken. Oder auffressen.

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