Tanita Tikaram – Sentimental
Dem „I Got You Babe“-Oboen-Gehupe entkam keiner 1988. „Twist In My Sobriety“ eroberte Europa, thronte auch 13 Wochen lang über Deutschland. Die melancholische Pop-Kleinigkeit schubste den grüblerischen Teenager aus Basingstoke ins helle Rampenlicht. Da stand das Mädchen mit dem dunklen Timbre, neben Tracy Chapman, Toni Childs, Michelle Shocked, begleitet von der reflexartigen Hosianna-Eskorte der Branche – als gestreßter „Star“ einer jungen Songwriterinnen-Szene.
Ambitionierte Folgewerke tönten nach einer gefährlichen Überdosis ihres Helden Van Morrison: zickig, bleiern, fast depressiv. Fürs siebte Album sollte die neue alte Leichtigkeit her. Computer-Sounds erwiesen sich als nicht zweckdienlich, Tikaram und Co-Produzent Neil Brockbank gaben einem organischen Mix aus akustischen Gitarren, Piano, Bläsern und Streichern den Vorzug – sicherlich erfolgverdächtig seit Norah Jones und Katie Melua. Die zehn Songs seien, berichtet sie, während der Arbeit im Studio entstanden, ungeplant und instinktiv. Trägt vielleicht darum die Startnummer „Something New“ ihren Titel so hörbar zu Unrecht? Deren erste vier Takte sind ja hundertprozentig „I Am, I Said“ und geeignet, dessen Komponisten Neil Diamond Extra-Dollars zu bescheren. Abgesehen davon läßt sich Tanita wenig vorwerfen. Ihre Lieder haben Melodie und Atmosphäre, setzen auf entspannte Intimität statt auf grelle Vordergründigkeit Tango, Country, viel betulich swingender Barjazz, dazu zwei erhebendere Duette mit Nick Lowe („Everyday Is New“, „Forever“). Geschmackssache bleiben Stimme, Intonation, Phrasierung. Sie raunt, kann man sagen, sie nimmt sich zurück, ganz unaufgeregt Oden Sie mault, singt auch mal manieriert daneben – und wirkt anämisch, geradezu sediert Der Soundtrack zur letzten Bestellung im Morgengrauen. Wenn das wahre Leben wieder erwacht, draußen.