The Charlatans – Up At The Lake

Was unbedingt in die Bewertung dieser Platte eingehen muss: das wundervolle, anrührende Gefühl des Durchhaltens und um alles in der Welt Lebendigbleibens, das man als alter Britpopper jedes Mal fühlt, wenn ein neues Charlatans-Album ungefragt ankommt Das gelassene Wissen darum, dass die Charlatans zu keinem Zeitpunkt jemals unschlagbar gut waren, dass auf jeden Lichtmoment ein bis zwei Peinlichkeiten kamen und die Band das auch weiß. Bei manchen blitzt die Erinnerung auf. wie die Debütplatte noch in der seligen Zeitschrift „Tempo“ besprachen wurde, natürlich jubilierend. Vor 14 Jahren. Anders als Supergrass haben die Charlatans völlig vergessen, ihren zehnten Geburtstag zu feiern. Die Acid-Baggy-Welle und das Mittneunziger-Parklife hat diese Band vielleicht nur deshalb überstanden, weil sie so unbeirrbar, unangreifbar medioker war. So ein gutes Liebesobjekt. Selbstverständlich sind auf „Up At The Lake“ wieder mehr gute Songs als auf der letzten Oasis-Platte.

Oder defensiv gesagt: weniger schlechte. Die haben sie trickreich in die erste Hälfte gestellt, so dass die Platte schon beim ersten Hören mit der Zeit immer besser wird. Die Charlatans sind schlecht, wenn sie allzu schwarzcool klingen wollen (wie im furchterregenden Disco-Funk „Feel The Pressure“), wenn sie zum ungezählten Mal einen neuen Text auf ihre Erkennungsmelodie dichten oder echte Empfindsamkeit probieren. Tim Burgess ist zwar ausgewachsen, hat ein Soloalbum gemacht und zuletzt im Prince-Falsett gesungen, aber das laszive Bübchen bleibt die beste Stimmlage für ihn. So schafft er es, einen schweren, turbulenten Hippie-Dampf-Blues mit Wah-Wah-Stößen zur Ehre des vor acht Jahren gestorbenen Keyboarders zu singen und dabei trotzig und rührend zu sein: „Blue For You“. Vorher machen die Charlatans aus dem Motiv von David Bowies „Heroes“ einen schönen Country-Pub-Rock („As I Watch You In Disbelief“), bei dem die Orgel mit Fingerhandschuhen gespielt wird, nicht mehr mit der Kralle wie früher.

Der Organist singt silberschmalzig „Loving You Is Easy“, eine der kopfhängenden und zugleich resoluten Heavy-Folk-Melancholien, die britische Bands irgendwann von Neil Young abgeschaut haben – die anschließende Rückkehr von Tim Burgess‘ Gesang, in „Try Again Today“, ist noch ein Effekt obendrauf. Deliziös, mit Baggersee-Gitarre, Ringo-Starr-Trommelbreaks, Westcoast-Chorsatz und sogar so etwas ähnlichem wie einem Slogan: „Goodbye yesterday, try again today, something’s gotta change!“. Zum Heulen wundervoll. Vielleicht die Stelle, an der auch Feinde das süße Gefühl verstehen, von dem am Anfang die Rede war. Die achte Charlatans-Platte ist: wie eine Tasse Kaffee im Regen.

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