The Chemical Brothers – Come With Us
Nichts eingeworfen vor dem Anhören. Hier soll die Musik die chemischen Effekte doch selbst hervorrufen, wenn ich das richtig verstanden habe. Und schönschlucken kann man sich sogar die Platten von Scooter. Vielleicht ist das schon das ganze Problem mit dem neuen Album der Chemical Brothers.
Das etwas missverständliche Wort „Bumsmusik“ hat neulich jemand gesagt, um ihr Genre zu beschreiben. Das trifft es. Die Chemical Brothers haben tatsächlich diesen riesigen Bums erfunden, in dem alle Bassdrums und Hi-Hats einer Hochleistungs-Festplatte zusammenstürzen. Den rock’n’rolligen, charakteristischen Bums, aus dem sich auch Prodigy, Underworld und Fatboy Slim (der Indie-Dancefloor) zeitweise ihre Singles gebaut haben. Entscheidend war ja, wie die Brothers Tom Rowlands und Ed Simons diesen Bums jeweils herbeiführten: angekündigt von Sirenen, herbeigesteigert von wirbelnden Tambouren und steppenden Elefanten. Diese ungeheuren Steigerungen ins ungeheure Nichts nach dem Knall. Existenzialisten sind sie deshalb nicht. Als alte DJs wissen die Chemical Brothers, dass man die Hände der Leute erstmal in die Luft kriegen muss und die Tanzfüße dann den Rest tun.
Sie machen das auf» Come with us „immer noch so. Sie machen das dieses Mal ohne Charme, ohne ihre teils perfide Überzeugungskunst. Mittlere Tagesform, würde man beim DJ sagen. Als wollten sie die Zügel (nach dem lüsternen, wilden Ritt auf“Surrender“von 1999) absichtlich ruhig halten. Die Chemical Brothers mit einer Winterplatte, beim Nachdenken über die eigenen Ursprünge: Aus Afrika kam der Rhythmus („It Began In Africa“, die erste Single mit exotischem Zwitschern und einer dazwischengeworfenen Trommelgruppe), wurde Acid House und Electro Funk – sie spielen alles versiert an, innerhalb weniger Minuten in „Hoops“, aber das sind plötzlich weite Gedankensprünge. Die innere Logik haben sie früher so praktisch demonstriert, dass man gar nicht danach gefragt hätte.
Die nächste Überlegung ist schon, ob sie nur deshalb ein Stück mit Beth Orton draufhaben („The State We’re In“, natürlich hypnotisch schön), weil die Chemical Brothers immer ein Stück mit Beth Orton draufhaben. Mit den Cameo-Auftritten beliebter Sänger haben sie sich ja Feinde gemacht bei den Reinheits-Behörden. Nun müssen auch Britpopper zweifeln, wie schlau es ist, Richard Ashcroft singen zu lassen: „Did I pass die acid test?“ Was tut man, wenn die Drogen nicht mehr wirken?