The Haunted Man :: Natasha Khan schwelgt in allzu fetten Neo-Prog-Arrangements
Ach, die zarten Lilien auf dem Felde, man bückt sich und pflückt sie oder zerdrückt sie, manch einen schmücken sie, andere hingegen bedrücken sie sehr. Im Li-La-Lilienbeet beginnt auch Natasha Khan alias Bat For Lashes ihre neue LP: In „Lilies“ kniet sie mit schmutzigen Beinen auf einem blumigen Hügel und bittet darum, sich lebendig fühlen zu dürfen – ach, wenn doch nur mal der Blitz in sie schlüge. Statt dessen schläft sie ein und wird von hundert marschierenden Kindern mit Träumen beschenkt. Schön! Auch die dazugehörige Melodie hört man sich erst gerne an, so sehnsuchtsvoll hübsch haucht Natasha Khan ihre Traumbilder in die von Lilien beduftete Nacht. Dann aber spielen Geigen ein Pizzicato, später kommen noch Bläserfanfaren hinzu, immer lauter wird der Liliensong, und immer blasser scheint der Traum, von dem er handelt.
„The Haunted Man“ ist das dritte Album von Natasha Khan; dabei handelt es sich nach Auffassung der Künstlerin um ihre bisher persönlichste Platte. Auf dem Cover zeigt sie sich daher auch nackt, den blanken Busen bloß von einem um die Schulter gewundenen Jüngling bedeckt, welcher ebenfalls nichts anzuziehen hat. „Nackt“ ist nun aber der letzte Begriff, auf den man beim Hören der Platte verfällt. Zwar hat Khan ihren Gesang vergleichsweise ungefiltert belassen. Doch im Rest der Musik schwelgt, streicht und bläst es besinnungslos in allen nur denkbaren musikalischen Arten; im Titelstück trifft etwa ein Blubberbass auf eine Marschmusiktrommel sowie yo-ho-ho-machende Männerchöre; es klingelt, klickert und dengelt, und in jedem siebten Beat steckt ein kleiner Schlumpf.
Man kann das für qualitativ hochwertigen Erwachsenenpop halten. Für mich klingt es eher wie klanglich unnötig verfetteter Neo-Prog. Um als künstlerisch wahrhaftiger Ausdruck zu wirken, wirkt alles zu angestrengt, überambitioniert und verspannt. Wer Blumen wirklich liebt, brüllt sie doch nicht nieder, sondern lässt sie leise duften und blühen. (Parlophone/EMI) Jens Balzer
Jason Collett