Nur Fliegen ist schöner

„Star Trek – The Original Series“ revisited: der Zauber des gemütlichen Retro-Futurismus.

Das Kinderzimmer: die letzte Grenze. Sternzeit 1977 ff., Samstagabend. Wir waren dabei, als Captain James Tiberius Kirk seine internationale Crew befehligte, als er auf einer eher vagen Mission das durchquerte, was in der deutschen Synchronfassung so schön „unendliche Weiten“ genannt wurde. Die „Enterprise“ suchte außerirdische Lebensformen und jene Menschen, die es einst als Forscher und Siedler in die Galaxie verschlagen hatte.

In dem Begriff „final frontier“ klingt natürlich der Wilde Westen an, und deshalb heißt die Serie auch „Star Trek“ – was allerdings irreführend ist, weil diese Reise keinen Zielort hat und keiner Sehnsucht folgt. Kirk und die Seinen wollen nirgendwo siedeln, wo der Himmel blau ist, das Wasser sauber und die Sonne scheint. Eher schon handelt die Serie davon, dass man niemals nach Hause zurückkehren kann, vom Heimweh also – und ist mithin Western ex negativo.

Die Tragik von Kirks Mission liegt darin, dass er auf allen Reisen stets Planeten findet, die der Erde ähneln, und Lebewesen, die dem Menschen gleichen. Der Horror vacui von „2001 – Odyssee im Weltraum“ ist genauso fern wie der Schrecken von „Alien“. Jenen späteren Science-Fiction-Klassikern sind Fortschrittsskepsis und Technikkritik eingeschrieben: Die Schöpfung des Menschen wendet sich gegen ihn selbst – ein Topos, der von der Erfindung der Steinschleuder bis Fukushima immer schmerzhaft bestätigt wurde. Die Serie „Star Trek“ wurde 1965 erdacht, als der „Wettlauf zum Mond“ gerade auf halbem Wege war, die Amerikaner hatten Rückschläge erlitten. Produzent Gene Roddenberry glaubte ganz naiv, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis die Kolonisation des Weltalls beginnen könnte, alle Menschen zu Brüdern würden – und jenseits der Milchstraße Lebensformen gefunden werden müssten. Aber merkwürdigerweise trifft der Mensch im All stets auf Derivate seiner selbst – mal dümmer, mal klüger; mal gewalttätiger, mal friedlicher; mal archaischer, mal fortschrittlicher. Versuchen es die Fremden mit Argumentation, setzt Kirk die Physis ein; nutzt Kirk indes das Verbale, begegnet er meistens archaischem Kampfeswillen. Dass von interstellaren Internet-Witzbolden die salbungsvolle Schluss-Ansprache im Film „Der Zorn des Khan“ mit Karl-Theodor zu Guttenbergs „Ich war immer bereit zu kämpfen“ gleichgesetzt wurde, folgt einer höheren Logik: Hier wie dort ist das Pathos inbrünstig, der Khan glaubt in seiner Paranoia fest an sein bizarres Unternehmen.

„Star Trek“ ist ein Werk des Humanismus und der heiligen Einfalt. Gespiegelt werden die besten Eigenschaften (und die Schwächen!) des Menschen in Captain James Kirk, wie William Shatner ihn spielt: als von Bonhomie geleiteten, rational verfassten, aber gefährlich sentimentalen Charismatiker, der verdächtig viele Ex-Geliebte auf fernen Planeten wiedertrifft, alte Freunde und Feinde; der allzu gern dem irdischen Whisky zuspricht und Liebe nicht in platonischer Darreichungsform meint.

Dieser Shakespeare-Gestalt ist der stoische Vulkanier Spock (Leonard Nimoy) gegenübergestellt, die beste Erfindung der Serie: Im Phänotyp sind es nur die spitzen Ohren, die den Logiker vom Homo sapiens unterscheiden – doch das Fehlen von Emotion symbolisiert das technokratische Prinzip. In der philosophischen Auseinandersetzung zwischen den beiden zeigt sich die Kierkegaardsche Antinomie des „Entweder-oder“, schlicht gesagt: das Künstlerische gegen das Zerebrale.

Die anderen Mitglieder der Crew stehen für Zwischenstufen: Der Arzt McCoy ist ein bedächtiger Zweifler, der Maschinist Scotty ein aufbrausender Schotte, die Kommunikation liegt in den Händen von Lieutenant Uhura, einer afroamerikanischen Frau. Der Kuss von ihr und Kirk zeigte, wie ernst „Star Trek“ es mit dem Fortschritt tatsächlich meinte. Der Japaner Sulu verliert nur einmal die Fassung und wird zum Samurai, der putzige Russe Chekov wird als etwas wehmütiger Apparatschik vorgestellt.

Am 8. September 1966 begann in den USA der Sternenflug – mit mäßigem Publikumsinteresse. Alle drei Staffeln, insgesamt 79 Folgen, brachten unbefriedigende Quoten, das Budget wurde reduziert, für spektakuläre Ausstattung fehlte das Geld. Weil wechselnde Kulissen beinahe ausgeschlossen waren, behalf man sich mit dem immer gleichen Raumschiff-Ambiente, Höhlen oder Wüsten. Ausgerechnet im Jahr der Mondlandung, 1969, wurde die Serie – die bisher von schriftlichen Eingaben der ersten manischen „Trekker“ geschützt worden war – aufgegeben. Um dann auf wechselnden Sendeplätzen jenes Nachleben zu beginnen, das 1978 in dem ersten Kinofilm mit der alten Besatzung mündete und dann fünf Nachfolge-Serien wie „Deep Space Nine“ hervorbrachte.

Von 1972 an wird „Star Trek“ als „Raumschiff Enterprise“ in Deutschland gesendet. Seitdem laufen auf immer irgendwo die alten Folgen (derzeit auf ZDFneo) – und nun gibt es die Gesamtbox „The Full Journey“ mit so poetischen Specials wie „Überlegungen zu Spock“, „Jenseits der letzten Grenze“ und „Romanzen im 23. Jahrhundert“. Der technische Fortschritt hat uns immerhin DVD und Blu-Ray gebracht – wenn der Mondflug auch nur die Teflonpfanne ermöglichte.

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